Neuss Kammerakademie mit Hang zu Brasilien

Neuss · "Brasiliana" lautete der Titel des Konzerts im Zeughaus, aber die Musik war sehr europäisch.

An einem ungewöhnlichen Wochentag gab die Deutsche Kammerakademie Neuss am Rhein (DKN) ihr dritte Abokonzert im Zeughaus. Ihr Stammtag ist eigentlich der Sonntag, aber an diesem spielte die DKN als Kulturbotschafter der Stadt Neuss in Épinal, der Hauptstadt des französischen Departements Moselle, vor ausverkauftem Haus. Aber auch für das Konzert im Zeughaus war keine einzige Karte mehr erhältlich.

"Brasiliana" war das Motto des Abends - etwas irreführend, denn die DKN spielte vornehmlich europäische Musik. Nun gut: Chefdirigent Lavard Skou Larsen ist in Brasilien geboren, und der bei uns kaum bekannte, gleichwohl einflussreiche brasilianische Komponist José de Lima Siqueira schrieb seine "Brasiliana VI" 1968 in Moskau. In gemäßigt moderner Tonsprache durchziehen ausgeprägte Melodien die drei Sätze, im zweiten Satz verbreiten sie düstere Melancholie, die sich aber im dritten Satz nach einleitendem Fugato zu einem geradezu festlichen Stimmungsbild aufhellt.

Weitaus bekannter ist der brasilianische Komponist Heitor Villa-Lobos, in dessen Werk sich Folklore mit neoklassizistischen und impressionistischen Stilzügen à la Debussy verbindet. Am populärsten sind seine "Bachianas Brasileiras": Brasilianische Volksmelodien hat er im polyphonen Stil Johann Sebastian Bachs verarbeitet. Im Zeughaus kam sein "Concerto für Gitarre und Orchester" zur Aufführung, das er 1951 für den spanischen Weltgitarristen Andrés Segovia schrieb. Gleich der erste Satz macht mit Villa-Lobos' schöpferischer Vorstellungskraft bekannt.

Die Streicher imitieren ein Bartók-artiges Motto, in das die Gitarre unvermittelt mit Figurationen hineinspielt, die der Komponist schon in seinen frühen, technisch virtuosen Gitarrenetüden - 1929 in Paris verfasst - verwendete. Bald beginnen Gitarre und Orchester einen Dialog in einem Ritornell Bachscher Polyphonie.

Als Solist konnte der berühmte Gitarrist Fábio Zanon - natürlich in Brasilien geboren - gewonnen werden. Trotz (zu kleiner) Verstärkeranlage blieb die Gitarre im Zusammenspiel mit dem Orchester oft zu leise. So konnte sein einzigartig virtuoses Spiel vor allem in der unbegleiteten "Cadenza" und einer wunderbaren Zugabe bewundert werden.

Gleichwohl war die DKN unter ihrem präzise zwischen Gitarre und Orchester vermittelnden Leiter Lavard Skou Larsen ein exzellenter Partner. Völlig unbrasilianisch, dafür mit festlichem Glanz spielte die DKN zum Konzertausklang in größerer sinfonischer Besetzung Mozarts "Sinfonie Nr. 35 D-Dur (Haffner-Sinfonie"). Temperament und Forte-Feuer prägten den ersten Satz, und Lavard Skou Larsen konnte sich auf sein Orchester verlassen, als er im Presto-Finale Mozarts Anweisung "So geschwind als möglich" folgte.

(Nima)
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