Neuss Kammerakademie probiert Chefs aus

Neuss · Die am Sonntag startende Saison der Deutschen Kammerakademie steht unter dem Motto "Veränderung als Programm." Jeder Gastdirigent ist auch ein potenzieller neuer künstlerischer Leiter und Chefdirigent.

 Als Artist in Residence steht die Geigerin Isabelle van Keulen am Pult der DKN, die von Martin Jakubeit gemanagt wird.

Als Artist in Residence steht die Geigerin Isabelle van Keulen am Pult der DKN, die von Martin Jakubeit gemanagt wird.

Foto: M. Krug

Wenn nur die Zahlen sprechen, ist die neue Saison der Deutschen Kammerakademie Neuss (DKN) schon ein Erfolg, bevor sie angefangen hat. Die Auslastung der sechs Konzerte im Zeughaus liegt schon jetzt bei mehr als 90 Prozent. "Ich weiß bald nicht mehr, wo ich die Leute noch unterbringen kann", sagt Orchestermanager Martin Jakubeit (47) in einer Mischung aus Zufriedenheit und Erstaunen. Das Publikum wird dabei viele neue Gesichter am Pult sehen, denn nach zwölf Jahren hat sich das Streichorchester von seinem Chefdirigenten Lavard Skou Larsen verabschiedet und wird federführend in den nächsten zwei Jahren von einem "Artist in Residence" geleitet.

Dass dieser Isabelle van Keulen (50) heißt (und natürlich von Hause aus Geigerin ist), macht Jakubeit schon jetzt glücklich. Er hat schließlich nicht allein die künstlerische Qualität im Blick, sondern auch deren Verkaufswert. Und er weiß, dass van Keulen gut vernetzt ist, ihr Name einen sehr guten Klang hat. Immer wieder sei er bei Freunde und Kollegen gefallen, erinnert er sich, "aber ich habe mir natürlich selbst ein Bild gemacht", ihr dann die Position angetragen. Und warum nicht gleich als Chefdirigentin? "Sie macht gern Projekte mit Anfang und Ende", antwortet Jakubeit, "wie dieses mit der DKN."

Allerdings lässt er offen, wie sie es wirklich weitergeht. Van Keulen und die jungen Musiker gestalten am kommenden Sonntag ihr erstes gemeinsames Konzert, zuvor wird die Geigerin bei zwei Vorspiel-Terminen einen neuen Cellisten und einen neuen Bratschisten mitaussuchen. "Ausgeschlossen ist es natürlich nicht, dass sie am Ende auch Kandidat ist."

Auf jeden Fall gibt es davon schon schon mindestens fünf. Nämlich jene Gastdirigenten, die in dieser Saison ebenfalls am DKN-Pult stehen und damit auch ihr grundsätzliches Interesse am künstlerischen Chefposten zeigen. Es sind Kolja Becher (19. November), Marc Coppey (17. Dezember), Rainer Schmidt (7. Januar), Simon Gaudenz (18. März) und Anu Tali (22. April). Weitere Namen könnten noch dazukommen, denn auch die Saison 2018/19 wird nach dem Prinzip "Veränderung als Programm" geplant.

Die Programme hat Jakubeit mit ihnen abgesprochen. Teilweise kamen sie von den Gästen, teilweise von ihm. Für die aus Estland stammenden Dirigentin Anu Tali habe er zum Beispiel ein Programm ausgearbeitet, das europäische und amerikanische Musik umfasst: "Sie lebt heute nämlich in den USA, ist aber auch viel in Europa unterwegs." Besonders spannend wird nach seiner Meinung das Konzert mit Gaudenz: "Von der Komposition Anestis Logothetis' gibt es nur eine schematische Zeichnung, die wir an die Wand werfen werden", erzählt er, "dafür müssen wir das Zeughaus auch verdunkeln."

Der neue Chef muss nach den Worten Jakubeits gleich mehrere Kriterien erfüllen: "Er muss bezahlbar sein, nach Neuss passen und ein eigenes Netzwerk haben." Dass es sich dabei auf jeden Fall um einen Streicher handeln muss, steht für Jakubeit, der selbst Musiker ist und Trompete spielt, außer Frage. "Die DKN ist ein Streichorchester, das ist ihr Alleinstellungsmerkmal und ein Qualitätsstempel." Er hat dabei nicht nur selbst Vorschläge gemacht, sondern auch solche gesammelt. Vom Ex-Chef Skou Larsen, aber auch aus dem Orchester, denn das wird am Ende auch mitentscheiden.

Jakubeit hat die Gründung eines Orchesterbeirats initiiert: aus dem Kreis der Stimmführer und der Konzertmeisterinnen. Es gibt neuerdings ein Stipendiatenvertreter, der laut Jakubeit jedes Jahr wechseln wird und einen Ansprechpartner für jeden Musiker. Letzterer auch als "eine Art Kummerkasten", wie Jakubeit schmunzelnd zugibt. An der bisher etablierten Doppelspitze der DKN werde sich aber nichts ändern, betont der Neusser. Es bleibe beim Chefdirigenten als künstlerischer Leiter und bei ihm als Orchestermanager.

Als solcher hat er die Finanzen im Blick, schaut aber auch nach neuen Möglichkeiten. So hat er sich auf der Raketenstation gerade das Haus für Musik angeschaut, kann es sich gut als Auftrittsort vorstellen. Zwischen 20 und 25 Konzerte gibt die DKN pro Jahr: "Wenn es 30 sind, fangen wir schon an zu stöhnen", kommentiert Jakubeit lachend die maximale Belastungsgrenze.

(hbm)
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