Neuss Karl Kreiner: Streiter für Mundart starb vor 50 Jahren

Neuss · 22. Dezember 1966: Karl Kreiner hat in St. Kamillus gerade seine Weihnachtsbeichte abgelegt. Auf dem Heimweg will er nur noch einen Umschlag mit den letzten Seiten seines "Neusser Alphabets" zur Post bringen. Als er die Breite Straße erreicht, erfasst ihn im Dunkeln auf regennassem Asphalt ein Auto. Sechs Wochen später, am 29. Januar 1967 - dem Morgen des "Nüsser Ovends" - erliegt der 70-Jährige den erlittenen Verletzungen.

Das "Neusser Alphabet" erscheint posthum und wird zum Standardwerk der Neusser Mundart. Wer Fragen rund ums Nüsser Platt hat, schlägt noch heute "bei Kreiner" nach. Als Erforscher und Konservator der Neusser Mundart ist er vielen im Gedächtnis geblieben. Und dann gehören zum Vermächtnis Kreiners seine Gedichte. Gedichte, die manchmal gefühlvoll, nicht aber gefühlsduselig sind. Die teilweise humorvoll Neusser Geschichte behandeln. Die Stimmungen einfangen, seinen Blick fürs Unscheinbare, Alltägliche zeigen. Sein vielleicht volkstümlichster Text, "Zink Mätes", gehört in der eingängigen Vertonung von Josef Krey bei Martinsumzügen noch immer zum Repertoire.

Spuren hinterlassen hat Karl Kreiner auch als Lehrer. . Mit erstaunlich modern anmutenden Methoden gelang es ihm, Freude am Lernen zu vermitteln. Seinen geliebten Beruf übte er unter anderem 23 Jahre lang an der Weißenberger Knabenschule aus - seine schönste Zeit, wie er später oft sagte. Mit der Namensänderung der "Grundschule Weißenberg-Ost" in Karl-Kreiner-Schule schloss sich 1983 ein Kreis.

Als Karl Maria Antonius Kreiner am 11. September 1896 geboren wurde, war seine Familie seit drei Jahrhunderten in Neuss nachweisbar. Seine Mutter Gertrud, geborene Closterhalfen, erkannte früh die künstlerische Neigung ihres Jüngsten und weckte in ihm die Liebe zum Neusser Platt. Die Blöckchen, auf denen sie mundartliche Ausdrücke und Redensarten der Kunden in ihrem Haushaltswarengeschäft notierte, bildeten später den Grundstock zum "Neusser Alphabet".

Nach dem Besuch des Quirinus-Gymnasiums und des Neusser Lehrerseminars nahm Kreiner während des Ersten Weltkriegs als Sanitäter an der Schlacht von Verdun teil und wurde selbst verwundet. In die Heimat zurückgekehrt, trat er bald seine erste Stelle als Lehrer an. Wissen zu vermitteln, genügte dem Volksschullehrer aus Überzeugung nicht. Er wollte dafür sorgen, dass aus den Kindern etwas wird. So organisierte Kreiner in seiner Freizeit Schwimmausflüge und nutzte seine vielfältigen Kontakte zu Neusser Unternehmen, um "seinen" Jungs nach dem Schulabschluss eine Lehrstelle zu beschaffen.

Die Vereinigung der Heimatfreunde Neuss ließ an Kreiners Elternhaus an der Oberstraße 105 eine Gedenktafel installieren.

(NGZ)
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