Neuss Kinderschutz-Ambulanz half in 669 Fällen
Neuss · Vor allem sexueller Missbrauch, Misshandlung und Verwahrlosung beschäftigen die Einrichtung am Lukaskrankenhaus.
Kinder, die zu Anna Waldhoff in die "Giraffenstunde" kommen, haben meist Schlimmes erlebt und sollen wieder Vertrauen gewinnen, vor allem zu Erwachsenen: "Die Giraffe ist das Säugetier mit dem größten Herzen - dieses wollen wir für die Kinder öffnen", erzählt die Psychologin, die in der Ambulanz für Kinderschutz (AKS) auf dem Gelände des Lukaskrankenhauses Kinder, Jugendliche und Familien berät, die von sexuellem Missbrauch, Misshandlung oder emotionaler und körperlicher Verwahrlosung betroffen sind.
Im Jahr 2014 verzeichnete die Beratungsstelle in Trägerschaft der Evangelischen Jugend- und Familienhilfe 669 Arbeitsaufträge, bei denen es um das Wohl von 505 Kindern und Jugendlichen ging. 58 Prozent davon waren Mädchen. In 80 Prozent der Fälle stand die Sorge im Vordergrund, dass ein Kind Opfer von sexuellem Missbrauch geworden sein könnte. "Wir wollen diese Kinder und Jugendlichen auffangen und ihnen helfen, eine neue innere Stabilität zu finden", erklärt AKS-Leiterin Viola Meurer-Blasius.
Dabei arbeiten die Psychologen mit der Kinderklinik, der Polizei, Kinder- und Jugendtherapeutischen Praxen, Rechtsanwälten und Einrichtungen der Jugendhilfe zusammen. Neu sind seit 2014 zwei Therapieangebote: die nicht zwangsläufig auf Gespräche ausgerichtete "Giraffenstunde" und eine Kindersprechstunde. "Sprechstunde bedeutet aber auch nicht zwingend reden, sondern auch spielen, malen oder in einer Sandkiste mit Figuren und Tieren eine Geschichte, oft die eigene, nachstellen", erklärt Anna Waldhoff. In den fünf Sprechstunden, die betroffene Kinder und Jugendliche in Anspruch nehmen können, stehe nicht die Aufklärung des sexuellen Missbrauchs, sondern die Stabilisierung des Kindes im Vordergrund, "so dass es sich etwa wieder in der Schule konzentrieren kann."
Die 1988 auf Initiative des Jugendhilfeausschusses der Stadt Neuss gegründete Beratungsstelle ist eine der ältesten in Deutschland und kümmert sich um Betroffene aus dem ganzen Kreis. Zudem berät sie Lehrer, Kinderärzte, Erzieherinnen und Sozialarbeiter in Sachen sexuellen Kindesmissbrauchs. "Die Politik in Neuss hat früh die Weichen für den Kinderschutz gestellt und will die Beratungsstelle weiter unterstützen", sagt Detlef Wicha, Geschäftsführer der Evangelischen Kinder- und Jugendhilfe.