Rebecca Hartmann "Klimaschutz ohne erhobenen Zeigefinger"

Neuss · Rebecca Hartmann (30) ist die Klimaschutzmanagerin der Stadt Neuss. Mit der NGZ sprach die 30-Jährige über ihre Aufgaben.

 Dreieinhalb Jahre arbeitete Rebecca Hartmann als Klimaschutzmanagerin im bayrischen Landshut - nun ist sie in Neuss tätig.

Dreieinhalb Jahre arbeitete Rebecca Hartmann als Klimaschutzmanagerin im bayrischen Landshut - nun ist sie in Neuss tätig.

Foto: Lothar Berns

Seit knapp drei Monaten sind Sie die Klimaschutzmanagerin der Stadt Neuss. Wie lautet Ihr erstes Fazit?

Rebecca Hartmann Ich denke, dass Neuss gut aufgestellt ist. Durch die eingerichtete Stabsstelle für Klimaschutz und -anpassung nehmen sich verschiedene Kollegen des Themas an. Es sind bereits erste Projekte angestoßen worden. Man merkt auch in der Bevölkerung, dass Interesse an der Thematik besteht.

Wie äußert sich dieses Interesse?

Hartmann Wir hatten im Dezember vergangenen Jahres eine Aktion, bei der Bürger Glüh- und Halogenbirnen gegen sparsame LED-Leuchten eintauschen konnten. Viele haben die Aktion genutzt, um sich über neue Technologien zu informieren. Der Bedarf ist da - und darum ist es gut, dass diese Stabsstelle eingerichtet wurde.

Sie haben gesagt, dass mehrere Projekte angestoßen wurden. Welche meinen Sie?

Hartmann Was schon umgesetzt wurde, ist beispielsweise die Zertifizierung über den European Energy Award - eine Art Qualitätsmanagementsystem für die Kommune. Da streben wir in diesem Jahr eine Gold-Zertifizierung an. Generell ist es wichtig, den Klimaschutz in die verschiedenen Bereiche, wie Planung, Bauen und Mobilität, zu integrieren. Wir nähern uns den verschiedenen Themen Schritt für Schritt - zum Beispiel durch die Integration von Klimaschutz und Klimaanpassung in Bebauungspläne, durch den Beschluss zur Elektromobilität oder mit Aktionstagen, wie es einen im Rahmen der Tour de France geben wird, bei dem das Thema Fahrradfahren in den Fokus gerückt wird.

Sie haben sich gegen 50 Mitbewerber durchgesetzt. Was denken Sie, war Ihr entscheidender Vorteil?

Hartmann Ich wusste gar nicht, dass es 50 Mitbewerber waren (lacht). Ich denke, es ist wie bei allen Stellenauswahlverfahren - eine Mischung aus Ausbildungshintergrund, Berufserfahrung und dem persönlichen Auftreten am Bewerbungstag.

Was haben Sie bisher gemacht?

Hartmann Ich habe in Köln Diplom-Geografie studiert und diverse Praktika im Bereich Klimaschutz und -anpassung, z. B. bei der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit, gemacht - unter anderem in Vietnam. Dann habe ich dreieinhalb Jahre in Landshut als Klimaschutzmanagerin gearbeitet, ehe es mich in die Heimat zurückgezogen hat. Ich habe einfach gemerkt, dass mir meine Familie und Freunde fehlen. Auch wenn es in Landshut sehr schön war.

Gibt es Parallelen zwischen Landshut und Neuss?

Hartmann Ja, ich merke, dass beide Kommunen mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben. Etwa mit dem Verkehrskollaps, der immer stärker wird. Landshut ist in der Nähe von München, Neuss in der Nähe von Düsseldorf und Köln. Die Zahl der Pendler nimmt zu und somit auch die Verkehrsströme. Es gibt zwar regionale Facetten und Probleme, aber vieles davon ist auch übertragbar.

Ihre Aufgabe ist es, das Klimaschutzkonzept der Stadt umzusetzen. Wie kann man sich das in der Praxis vorstellen?

Hartmann Ein Klimaschutzkonzept ist eine Entscheidungs- und Planungshilfe. Zunächst wird die Ist-Situation einer Stadt betrachtet - eine Art Grundlagenuntersuchung, um aufzuzeigen, wo es Nachholbedarf gibt. Am Ende wird ein umfangreicher Maßnahmenkatalog erstellt. Das Thema ist komplex, weil es auf verschiedenen Ebenen ansetzen muss. Meine Aufgabe ist es unter anderem, die Neusser hinsichtlich des Klimaschutzes zu sensibilisieren und diesbezüglich in der Verwaltung Vernetzungen zu schaffen - und die Maßnahmen in die Arbeitsabläufe zu integrieren.

Sie leisten also auch Motivationsarbeit?

Hartmann Ja, wenn ich zum Beispiel versuche, die Gewerbetreibenden zu mehr Engagement beim Klimaschutz zu animieren, dann ist es wichtig zu vermitteln, dass sie dadurch auch Vorteile haben. Sowas geht nicht mit dem erhobenen Zeigefinger.

Das Klimaschutzziel der Stadt ist es, bis 2030 insgesamt 25 Prozent CO2 gegenüber dem Jahr 2014 einzusparen. Ist das realistisch?

Hartmann Es ist durchaus ambitioniert, aber es ist wichtig, sich ambitionierte Ziele zu setzen. Die kann die Verwaltung aber nicht alleine erreichen, sondern braucht dazu die Mithilfe aller Neusser - inklusive Privathaushalten und Gewerbetreibenden.

Welchen Beitrag leisten Sie?

Hartmann Da ich keinen Pkw besitze, pendel ich von Köln nach Neuss mit der Bahn, ich beziehe Ökostrom und fahre viel mit dem Fahrrad. Ich versuche einfach, möglichst nachhaltig zu leben. Da kommen viele Kleinigkeiten zusammen. Wichtig ist es, nicht nur mit dem Finger auf andere zu zeigen, sondern auch selbst was zu tun.

Die Stadt erhält für die Stelle einer Klimaschutzmanagerin für die nächsten drei Jahre eine Förderung von 141.000 Euro. Und danach?

Hartmann Das ist eine politische Entscheidung. Ich denke, dass es wichtig ist, auch nach den drei Jahren weiterhin etwas für den Klimaschutz zu tun. Schließlich werden wir in dieser Zeit längst nicht alle Probleme gelöst haben.

SIMON JANSSEN FÜHRTE DAS GESPRÄCH

(NGZ)
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