Neuss Kopetzky schreibt und liest mit viel Dramatik

Neuss · Die Lesung von Steffen Kopetzky aus seinem Buch "Risiko" beim Literarischen Sommer ist zugleich unterhaltsame Geschichtsstunde.

 Autor Steffen Kopetzky ist sein eigener Schauspieler, wenn er wie jetzt in Neuss aus seinem Werk liest.

Autor Steffen Kopetzky ist sein eigener Schauspieler, wenn er wie jetzt in Neuss aus seinem Werk liest.

Foto: Andreas Woitschützke

Wenn ein Roman so sehr mit einem bislang eher unbekannten Teil der Weltgeschichte verknüpft ist wie Steffen Kopetzkys "Risiko", dann kann es schnell passieren, dass aus einer Lesung eine Geschichtsstunde wird. Und da sich sowohl in seinem Roman als auch in Kopetzkys Vortrag historische Fakten und fiktive Abenteuer fröhlich vermengen, gerät die Lesung mit Kopetzky beim Literarischen Sommer in der Stadtbibliothek zu einer Veranstaltung, die man neudeutsch gewiss als Infotainment bezeichnen kann.

Schon beim Eintreten ist klar, dass dies keine normale Lesung wird, denn bereits vor Erscheinen des Autors prangt eine große Karte des Gebietes rund um Afghanistan auf der Leinwand. Und so wundert es nicht, dass Kopetzky, bevor er aus "Risiko" zu lesen beginnt, erst einmal die Entstehungsgeschichte und den historischen Kontext seines Werkes umschreibt. Darin geht es um eine bislang nicht allzu häufig thematisierte Geheimexpedition des deutschen Kaiserreiches nach Afghanistan.

Im Umfeld des Ersten Weltkrieges sollen die Araber angestiftet werden, einen Dschihad, also einen Heiligen Krieg, gegen das britische Empire zu beginnen. Eine Thematik, über die sich auch spannende Sachbücher schreiben ließen. Kopetzky jedoch wählte die Form des Romans, in dem ein fiktiver Charakter, der, eingerahmt von der aufwendig recherchierten tatsächlichen Geschichte, erfundene Abenteuer erlebt. Sebastian Stichnote ist Marinefunker, eine Figur, die sich nicht nur innerhalb tatsächlicher Begebenheiten bewegt, sondern dabei auch noch auf historische Persönlichkeiten wie Max von Oppenheim oder Alois Musil trifft.

Seine Entscheidung, trotz guter Quellenlage einen fiktiven Roman zu schreiben, begründet Kopetzky wie folgt: "Es gibt eine Unzahl von Berichten und Erinnerungen, die teilweise sehr widersprüchlich sind, alle historischen Quellen wirken ,zurechtgebogen' und schienen nicht verlässlich." Daher habe er sich einen Charakter ausgedacht, der eine Brücke bildet zwischen Fantasie und Fakten.

Er beginnt seine Lesung mit dem Anfang des Romans, indem Stichnote und der Emir von Afghanistan auf einer Jagd miteinander zu kämpfen beginnen. Dramatische Szenen, die der Autor schwitzend, schnell, fast schauspielernd vorträgt. Um danach erschöpft zu erklären, dass diese Szene ein "Cliffhanger" sei. Ein Stilmittel, das er für gewöhnlich nicht einsetzt, das jedoch hier dazu dienen soll, den Leser zu motivieren, sich durch die vielen historischen Fakten zu arbeiten, um am Ende mit der Auflösung der Situation belohnt zu werden.

"Sie haben Tolles geleistet, aber auch der Leser ist sehr gefordert", merkt eine Dame aus dem Publikum an. Zwischen weiteren spannenden und dramatisch vorgetragenen Szenen holt Kopetzky immer wieder zu umfangreichen, aber gut verständlichen Erklärungen aus, zeigt weitere Bilder und Karten und hat sogar ein echtes Foto seines fiktiven Protagonisten vorzuweisen. Auf einem Mannschaftsfoto der Besatzung eines deutschen Kriegsschiffes sticht ein anonymer, weiß gekleideter Soldat hervor. "Das ist mein Stichnote", merkt der Autor lächelnd an. Den Abend schloss er dann nicht mit dem eigenen Werk, sondern mit dem eines Kollegen: "Das Trauerspiel von Afghanistan" von Theodor Fontane.

(NGZ)
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