Neuss Krankenhaus-Serien im Realitäts-Check

Neuss · Arztserien können auch für Ärzte unterhaltsam sein, wenn sie gut gemacht sind, sagen zwei Mediziner, die am Johanna-Etienne-Krankenhaus beschäftigt sind. Nicht alles, was im Fernsehen gezeigt wird, ist aber auch realistisch.

 Jana Gelshorn ist Assistenzärztin, Ingmar Gröning leitet die Notfallambulanz am Johanna-Etienne-Krankenhaus. Beide schauen gerne gut gemachte Arztserien.

Jana Gelshorn ist Assistenzärztin, Ingmar Gröning leitet die Notfallambulanz am Johanna-Etienne-Krankenhaus. Beide schauen gerne gut gemachte Arztserien.

Foto: Lothar Berns

Vor 20 Jahren flimmerte sie erstmals in die Wohnzimmer: Die US-Serie "Emergency Room" revolutionierte das Genre der Krankenhaus-Serien. "Spektakulär, schnell und sehr realitätsnah", beurteilt Jana Gelshorn, Assistenzärztin der Inneren Medizin am Johanna-Etienne-Krankenhaus, die Serie. "Als die Folgen erstmals ausgestrahlt wurden, war ich zwölf Jahre alt, da konnte ich das ja noch nicht vergleichen", sagt die 31-Jährige. "Seit ich selbst Ärztin bin, weiß ich: Die Macher von ,Emergency Room' haben viel vom Krankenhausalltag verstanden." Dr. Ingmar Gröning, seit sechs Jahren Leiter der Notfallambulanz am "Etienne", pflichtet ihr bei: ",Emergency Room' ist der König der Serien gewesen."

Hiesige Arzt- oder Krankenhaus-Serien dagegen öden ihn an: "Meistens stehen in deutschen Serien die Beziehungen im Vordergrund. Die Handlungen sind völlig austauschbar, könnten auch in einer Kanzlei oder einem Handwerksbetrieb spielen", kritisiert Gröning. "Wenn solche Serien nicht dazu beitragen, den medizinischen Alltag realistischer darzustellen, regt mich das eher auf." "Emergency Room" dagegen sei sehr realitätsnah gewesen. "Die chronische Überforderung, die immer wieder thematisiert wurde, ist eben Alltag", sagt Gröning. "Unser Beruf ist nicht vorhersehbar."

Auch am Etienne-Krankenhaus gebe es Situationen wie bei "ER" - wie Insider die Serie abkürzen. "Wenn der Liegend-Wartebereich voll ist mit kranken Patienten, kann ich mich nicht teilen. Dann gilt der Grundsatz: Das Krankheitsbild hat oberste Priorität, nicht die Wartezeit." Das sei manchmal schwer nachvollziehbar für andere Wartende. "Aber der Kränkeste wird vorgezogen", bestätigt Jana Gelshorni. "Ein Krankenhaus kann nicht arbeiten wie eine Praxis. Wir haben unseren Versorgungsauftrag zu erfüllen", sagt Gröning. "Und da springen wir manchmal auch von Raum zu Raum." So wie George Clooney und seine Kollegen. "Unser Liegend-Wartebereich ist ähnlich konzipiert wie in der Serie. Damit die Wege möglichst kurz sind."

Grundsätzlich steht er Krankenhaus-Serien nicht kritisch gegenüber. "Wenn sie so spannend und realistisch gemacht sind wie ,ER', kann das ja sogar dazu beitragen, junge Leute für unseren Beruf zu interessieren." Zur Entspannung guckt er aber auch hin und wieder Serien, die weniger realitätsnah sind. ",Scrubs' beispielsweise ist sehr humoristisch und hat gar nicht erst den Anspruch, medizinische Inhalte transportieren zu wollen."

Jana Gelshorn kennt sich mit medizinischen Serien recht gut aus. "Während des Studiums habe ich einige geschaut." Heute schaut sie ab und zu Folgen von "Doctor's Diary", "Grey's Anatomy" oder "Dr. House". "Am meisten Spaß macht es, mit anderen Leuten solche Folgen zu gucken", erzählt die Assistenzärztin. "Oft werde ich dann gefragt: Ist das wirklich so?" Im Krankenhaus bleiben will Gelshorn auf Dauer nicht. "Irgendwann möchte ich in die hausärztliche Versorgung. Ich stelle es mir sehr befriedigend vor, Patienten über längere Zeiträume zu begleiten." Ganz anders Ingmar Gröning, von der "Etienne"-Notfall-Ambulanz: "Ich möchte im Krankenhaus bleiben. Hier habe ich meinen Traumjob gefunden."

(NGZ)
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