Interview Simeon Breuer (19) Und Sebastian Ley (30) Kritik an CDU: zu alt und zu unbeweglich

Neuss · Breuer, Chef der Jungen Union, und sein Vorgänger haben ein Papier vorgelegt, wie sich die CDU bis 2020 ändern soll.

Die historische Wahlniederlage der CDU in Neuss ist nun drei Wochen her. Welche Schlüsse haben Sie daraus gezogen?

Simeon Breuer Ich hätte nicht gedacht, dass die Niederlage so krachend ausfällt. Im Nachhinein wird klar: Wir haben einen Kandidaten aufgestellt, der zu alt war. Er wurde für seinen Vorgänger abgestraft. In den Augen vieler Wähler reimte sich Nickel auf Napp. Und die SPD hat es geschafft, ihre Wähler zu motivieren, wir eben nicht.

Sebastian Ley Ich bin noch immer davon überzeugt, dass Thomas Nickel ein guter Bürgermeister gewesen wäre, er ist aber zur falschen Zeit von uns aufgestellt worden. Die CDU verkörpert in der Stadt das Bild: Wir sind alt, wir sind Männer, wir sind nicht offen genug. Das hat sich leider in dem Kandidaten manifestiert. Wir müssen uns einfach grundlegend ändern. Nicht jeder in der Partei hat verstanden, warum wir verloren haben. Aber alle haben verstanden, dass es so nicht weitergeht.

Was muss sich ändern?

Ley Die CDU muss sich öffnen. Es sind junge und neue sachkundige Leute bei der letzten Kommunalwahl hinzugekommen. Das ist vorher versäumt worden. Deshalb haben wir jetzt eine CDU, in der man mit echten Ideen nur schwer durchkommt. Ich bin seit 2009 in der Partei, aber ich habe Monate, Jahre da gesessen, ohne dass mir jemand die Strukturen erklärt hat. Ohne dass ich Ideen einbringen konnte. Da muss man jetzt ansetzen. Die neuen Leute dürfen nicht stehen bleiben.

Breuer Wir müssen jedem erklären, der sich engagieren will, wie er seine ganz konkrete Idee umsetzen kann in Neuss, wie man sie weiter entwickeln kann, welche Hürden es gibt bei der Umsetzung. Wir wollen ein Patensystem einführen für neue Mitglieder. Wir wollen Leuten, die sich einbringen wollen, verstärkt Raum zur Partizipation geben.

Ley Es geht darum, Persönlichkeiten langfristig aufzubauen, indem man Erfolge ermöglicht und anderen auch zutraut. Dazu muss man sich als Partei öffnen. Wenn das nicht passiert, geht es so weiter wie jetzt.

Sie haben bei der Mitgliederversammlung am Mittwoch Ihren Fahrplan 2020 vorgelegt. Ihr Papier liest sich fast wie ein Verhaltenskodex. Welche Reaktionen gab es? Sind Ihre Erkenntnisse überall in der Partei durchgedrungen?

Breuer Wir haben diese Gedanken an den verschiedensten Stellen der Partei angebracht und am Mittwoch daraus unsere Zusammenfassung vorgelegt. Die Reaktionen waren durchweg positiv. Wir haben wohl den Nerv vieler in der Partei getroffen, so wollen wir als Team das Konzept umsetzten. Nur gemeinsam bekommen wir diesen Karren aus dem Mist.

Ley Wir werden das in Anträge gießen für die nächste Mitgliederversammlung, die noch dieses Jahr stattfinden muss. Und wenn es beschlossen wird, dann muss es verbindlich umgesetzt werden. Wir müssen in der Kommunikation auch nach außen zeigen: Wenn ihr eine Idee habt, sprecht uns an, wir sind die Partei, die dafür offen ist und bringen das nach vorne. Wir müssen uns ganz anderen Zielgruppen öffnen.

Welche wären das?

Breuer Junge Familien, Nicht-Akademiker, Auszubildende, Migranten - diese Gruppen erreichen wir im Moment nicht. Es reicht nicht aus, die Schützen zu überzeugen. Wir müssen überall Präsenz zeigen.

In Ihrem Papier rufen Sie zu einer Sacharbeit im Rat auf.

Ley Jede Entscheidung, die in der Fraktion gefällt wird, muss sachlich begründet und zielgruppenorientiert nach außen kommuniziert werden. Wir müssen konstruktiv-kritisch sein und dürfen nicht Verhinderer des Bürgermeisters sein.

Sie fordern: ,Wir müssen die Richtigen aufstellen.' Wer sind die?

Breuer Wir müssen bei der Kandidatenfindung anders vorgehen: Die Partei, alle Mitglieder, legen ein Profil eines Kandidaten fest und danach werden Leute gesucht, die in dieses Profil passen. Dazu brauchen wir das Ohr und Herz beim Bürger, wir müssen wissen, was er will. Wir haben gesehen, dass das für einen Wahlsieg essenziell ist. So werden wir es bei der Landtagswahl machen. Und so werden wir es vor allem bei der Bürgermeisterwahl 2020 machen.

Wie jung müssen Bewerber sein?

LEy Das muss noch diskutiert werden. Alter ist kein ausschlaggebendes, aber ein wichtiges Kriterium.

Parteichef Jörg Geerlings hat Anfang des Jahres angekündigt, das Landtags-Mandat zurückerobern zu wollen.

Breuer Wir wollen das in einem innerparteilichen demokratischen Prozess festlegen. Es gilt das von der Partei erstellte Profil. Er kann es sein, muss es aber ausdrücklich nicht.

Kann er Parteivorsitzender bleiben?

Breuer Es ist egal, wer vorne sitzt, wenn die Reform umgesetzt wird. Die Partei muss sich weiter öffnen, und dafür wollen wir auch Verantwortung übernehmen. Alles andere liegt in der Hand der Mitglieder.

ANDREAS GRUHN FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(NGZ)
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