Neuss Kulturförderer will Traditionen wahren und Neues wagen

Neuss · Eigentlich müsste er seinen Schreibtisch aufräumen. Denn der Urlaub steht an, und Ron Brinitzer, Leiter der Geschäftsbereiche International Innovation/Umwelt bei der IHK Mittlerer Niederrhein, hat noch genug zu tun, bevor er mit der Familie aufbrechen kann. Aber die Alte Post lockt.

 Ron Brinitzer führt seit einem Jahr den Förderverein der Alten Post.

Ron Brinitzer führt seit einem Jahr den Förderverein der Alten Post.

Foto: Woitschützke Andreas

Die "Wunschstadt", die Kinder im Alter von acht bis zwölf Jahren in einem riesigen Sandkasten gebaut haben, ist zu besichtigen. Und dafür lässt Brinitzer auch alles stehen und liegen, bleibt aus lauter Begeisterung für die Kinder und ihre Erklärungen, warum sie was gebaut haben, länger, als er es sich eigentlich leisten kann. Vor gut einem Jahr hat der 46-Jährige den Vorsitz des Fördervereins der Alten Post übernommen. Der wiederum finanziert seit Beginn an die Bauaktion "Wunschstadt" - die Vereinsgründerin und langjährige Vorsitzende Hildegard Monssen hatte sie initiiert -, und so ist es für Brinitzer Pflicht und Vergnügen zugleich, sich auf dem Vorplatz sehen zu lassen. Wobei es den Kindern egal zu sein scheint, ober er der Mann ist, der alles bezahlt. Für sie ist er ein Erwachsener, dem erzählt werden muss, warum diese Wunschstadt aussieht wie sie aussieht.

Und Brinitzer ist begeistert. Von den Ideen und den kleinteiligen Einrichtungen, die die Kinder in den Sand gebaut haben: "Ein Theater! Ein Dinosaurierskelett! Der große Marktplatz mit Bänken!" Für ihn ist diese Aktion ein weiteres gutes Beispiel für das Wirken der Alten Post, und seine Begeisterung erklärt, warum er sich auf diesen Förder-Posten hat wählen lassen.

Die Alte Post sei schon deswegen etwas Besonderes, weil sie drei Bereiche - Schule für Kunst und Theater, Städtische Galerie und Bühne - abdecke, aber deren Grenzen beständig durchlässig mache. "Es gibt immer einen Aha-Effekt", sagt er und erzählt von seinem eigenen in der jüngst beendeten Ausstellung "Orbital Explorer", in der man als Besucher im stockdunklen Raum stand und selbst über die Bewegung das Licht bestimmen konnte. Ein anderes Beispiel ist für ihn der Familienbesuch des Tanztheaters "Dialog" der Hamdi-Berdid-Truppe. Seine älteste Tochter sei zunächst wenig begeistert von dem Plan gewesen, sagt er, aber nach der Vorstellung dann so begeistert, dass sie noch zwei weitere Besuche nachgeschoben habe.

Dass die Alte Post mit ihren Aktionen und Vorhaben die Erwartungen von Besuchern nicht nur übertrifft, sondern positiv überrascht, ist etwas, dass Brinitzer ein Strahlen aufs Gesicht zaubert. Und deswegen ist es ihm als Vereinsvorsitzender auch wichtig, die anderen Mitglieder - rund 160 sind es - mitzunehmen. "Ich finde es spannend, wenn die frische und szenemäßige Kultur der Alten Post auf die eher gesetzte trifft", sagt er.

Mit Mitgliederaktionen wie "Kunst und Käse" (zu der etwa eine "Dialog"-Vorstellung gehörte) will er das fördern. Denn aus Vereinssicht sei es wichtig, alle drei Bereiche der Alten Post gleichermaßen zu unterstützen. Was aber nicht bedeute, dass er "alte Zöpfe" abschneiden wolle, betont er. Dass zum Beispiel die "Wunschstadt"-Aktion nicht mehr gefördert wird, kann er sich nicht vorstellen. "Die ist ja schneller ausgebucht als man gucken kann", kommentiert er trocken ihre seit Beginn anhaltende Resonanz. Und löst sich dann von dem Geschehen, um seinen Schreibtisch vielleicht doch noch leer zu bekommen.

(hbm)
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