Neuss Kunst wird erst eingeflogen

Neuss · Die Alte Post präsentiert - wenn das Flugzeug heute pünktlich landet - vier Künstler aus Namibia. Sie arbeiten alle mit dem ungewöhnlichen Medium Kartondruck.

Als städtischer Kurator hat Klaus Richter an der Alten Post schon viel erlebt. Dass Künstler bis zur letzten Minute an ihren Werken arbeiten, am Tag vor der Eröffnung wenig darauf hindeutet, dass die Schau rechtzeitig fertig wird, kennt er. Das bringt ihn kaum noch aus der Ruhe. Aber mit dieser Ausstellung ist das anders. Denn der Großteil der Bilder, die in der Schau "Freeing - Cardboard Cuts from Namibia" gezeigt werden sollen, kommen erst heute an. Hoffentlich.

"Das ist ein echtes Abenteuer" kommentiert Richter die Arbeit an der Ausstellung. Wobei die Vorbereitungszeit eigentlich lang genug gewesen sei, sagt er, aber er und seine Partner von der National Art Gallery of Namibia hatten eine derart langsame Bürokratie nicht auf der Rechnung.

Die Auswahl der fünf Künstler aus dem südafrikanischen Land, ebenso die der Werke, die sie schicken sollten, lief in der Zusammenarbeit mit der Kuratorenkollegin an der National Art Gallery, Helen Harris, völlig problemlos, erzählt Richter. Auch der Titel der Ausstellung kam schnell zustande: "Freeing ist eine Wortschöpfung der namibischen Künstler", erzählt Richter lachend, "leitet sich von Freestyle ab und meint den ungezwungenen Umgang mit Motiv, Technik und Tradition." Soweit also war alles geregelt. Aber dann kam der Zoll, dann die Versicherung - mit der Folge, dass die 42 Arbeiten erst heute Mittag auf dem Düsseldorfer Flughafen landen. Die Maße der Kunst-Kiste kennt Richter dabei längst auswendig: "110 x 80 x 40 Zentimeter!"

Und er weiß auch, welche Bilder in ihr stecken, denn digitale Fotos liegen ihm schon seit langem vor. Das Gemeinsame aller Arbeiten ist das Medium: Kartondruck. "In Namibia ist Kartondruck sehr verbreitet - vermutlich, weil das Material dort leicht zu bekommen ist", erklärt Richter und ergänzt: "Bei uns kennt man das kaum."

Daher freut es ihn besonders, dass es mit Hans-Jürgen Söfffker aus Düsseldorf einen Künstler gibt, der den Karton- dem Linoldruck vorzieht. Und warum? "Ich mag die Struktur und die Größe", sagt Söffken. Gleichwohl ist die Arbeit diffizil: Mit feinen Linien kann er kaum arbeiten, denn: "Die lösen sich beim Drucken sofort auf." So setzt er oft auch auf Collage.

Seine Arbeiten ergänzen die Ausstellung nicht nur, sondern bereichern sie. Denn Söffker widmet sich in seinen Bildern wie die Kollegen aus Namibia der eigenen Lebenswelt, wobei er eine besondere Affinität zu Maschinen und Autos hat. "Autos spielen aber auch in Namibia eine ganz große Rolle", sagt Jörg Eberhard, der bei der Eröffnung in die Schau einführen wird und selbst etliche Male in Namibia war. Und so hat etwa Lok Kandjengo den Truck der eigenen Farm in Karton geritzt, geschnitten und dann gedruckt, Saima Iita zeigt einen Laster, der im Matsch feststeckt.

Kandjengo, Iita und Saline Willem gehören zu den aufstrebenden Künstlern ihrer Heimat, haben ihr Studium am Department of Arts der Uni Windhuk gerade beendet. "Petrus Amuthenu ist dort schon ein richtiger Superstar", sagt Klaus Richter, der zudem bedauert, dass keiner der Künstler bei der Eröffnung anwesend sein kann. Geplant war, dass der jüngste im Bunde, Saima Iita, dabei sein sollte, aber das Visum ließ zu lange auf sich warten. Nun klappt es wenigstens mit dessen Anreise bis zu einem musikalischen Abend mit dem in Namibia sehr bekannten Musiker Ees.

(hbm)
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