Neuss Kunstzentrum Hombroich

Neuss · Drei Ausstellungen, drei Institutionen: Die Raketenstation ist eine erste Adresse für zeitgenössische Kunst.

Nicht zum ersten Mal haben sich die drei auf der Raketenstation beheimateten Institutionen Thomas-Schütte-Stiftung, Langen Foundation und Stiftung Insel Hombroich einen gemeinsamen Eröffnungstag für ihre neuen Ausstellungen ausgeguckt. Am Sonntag ist es wieder so weit.

Skulpturenhalle So viele Leihgaben hat Thomas Schütte für eine Ausstellung in seiner Skulpturenhalle noch nie zusammentragen. Sagt er. 21 sind es genau, die der Bildhauer und Gründer der Thomas-Schütte-Stiftung bis 12. August zeigt, und sie alle stammen vom spanischen Künstler Juan Muñoz. Als Muñoz 2001 starb, gab es die Skulpturenhalle noch nicht mal als Plan. Und dennoch wirkt es, als ob die Arbeiten des Spaniers nur für diesen Ort gemacht sind. Das fängt bei Skizzenbüchern an und hört mit den Figurenensembles in der Halle auf.

Eine ungewöhnliche Konversationsrunde begrüßt dort den Besucher: Menschen, die scheinbar mit Oberkörper und Armen reden, aber nie von der Stelle kommen können. Sie haben keinen Unterbau aus Beinen, sondern wachsen aus einem voluminösen Sack heraus.

Es sind oft alltägliche Gegenstände und Situationen, die Muñoz irritierend verfremdet: Hinter dem Geländer, an dem die Hand fast automatisch entlangfährt, liegt ein Messer. Zwei bis in die kleinste Falte ihrer Hose so lebendig wirkende Menschen entpuppen sich als Statuen ohne Gesicht. Jedes Werk scheint eine eigene Geschichte zu erzählen. Nur welche - das bleibt dem Betrachter überlassen.

So nimmt es nicht wunder, dass beim Anblick des entgleisten Schnellzuges (von 2000/01) auf der Wiese vor der Skulpturenhalle jeder sofort an das Unglück von 2013 nahe Santiago de Compostela denkt. Was aber hat Muñoz sich gedacht? Warum hat er im Innern des Waggons eine Art Bühnenbild gebaut? Selbst Schütte, der mit dem Spanier befreundet war, hat dieses "massive Innenleben" erst beim Aufbau entdeckt.

Langen Foundation Im Sinne des Wortes mehrstimmig, "polyphon", geht es in der Langen Foundation zu. Ganz bewusst hat sich Schneider aus der Sammlung Viehof junge Künstler ausgesucht und auch deswegen auf schon gezeigte Kunst (etwa jüngst in Hamburg) verzichtet, um eine besondere Spannung in der Langen Foundation zu erzeugen. Und das gelingt ihr perfekt, denn die Räume sind für große Installationen, etwa "Time ist Ticking" von Marijke van Warmerdan, oder der kraftvollen Malerei von Corinne Wasmuth wie geschaffen. David Zink Yi hat für den Japanraum seine Installation "Independencia" von 2005 rekonstruiert - ein Raum aus Holz im Raum, der wie eine Trommel Rhythmen auf unterschiedliche Weise wahrnehmen lässt.

Dass die Kuratorin mit der Schau verschiedene Positionen transportiert, ist das eine. Das andere, dass die Künstler mit sich selbst in einen Dialog treten, indem sie etwa neue Arbeiten zu den aus der Sammlung ausgesuchten lieferten. So hat Danh Vo seinen Fragmenten "We the People" - zwei von insgesamt 300, die zusammen einen Nachbau der US-Freiheitsstatue ergäben - von 2011 eine Christusfigur von 2018 gegenüber gestellt. Beide Ikonen stehen stellvertretend für Werte, deren Zerbrechlichkeit die Fragmente von Lady Liberty ebenso betonen wie das Sich-auflösende von Christus' Körperteilen.

Thomas Houseago hat einen alptraumhaften "Dream Room" visualisiert, Kimsooja ist mit einem Video vertreten - und mit einer den großen Ausstellungsraum füllenden Installation, die Schneider unbedingt dabeihaben wollte und aus dem Museé d'Art Contemporain de Lyon entliehen hat.

Siza-Pavillon Als der Fotograf Tomas Riehle im vergangenen Jahr überraschend starb, war für den Vorsitzenden der Stiftung Insel Hombroich, Oliver Kruse, und den Geschäftsführer Frank Boehm klar, dass eine Schau sowohl zum Siza-Pavillon als "Institut für räumliches Denken" wie auch zu Riehles Bedeutung als Architekturfotograf passt. Aus mehr als 40 Jahren Arbeit, unmittelbar beginnend am Ende von Riehles Studium bei Erwin Heerich bis hin zu den jüngsten Bildern aus Hombroich, die noch in Riehles Kamera steckten, haben Barbara Riehle und Kurator Katsuhito Nischikawa rund 120 Arbeiten ausgesucht. Allesamt sind in Schwarz-Weiß-Abzügen gehängt, was die strenge Schönheit der Riehle-Fotos noch unterstreicht.

Dass der Heerich-Schüler und Architekten-Sohn mmer wieder Hombroich fotografierte, die Wahrnehmung der Institution "nach draußen getragen hat", wie Kruse es sagt, ist zwar nicht verwunderlich, aber keineswegs der Schwerpunkt der Schau. In sieben Werkgruppen ist sie aufgeteilt, zeigt den besonderen Blick, den Riehle auf alle Arten von Räumen hatte. Helga Bittner

Info Alle drei Ausstellungen werden am kommenden Sonntag von 12 bis 17 Uhr eröffnet.

(NGZ)
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