Neuss Lange Wartelisten im Memory-Zentrum

Neuss · Der Bedarf an psychologischen Dienstleistern wächst. Das merkt, wer sich an das Memory-Zentrum wendet und keinen Termin bekommt.

Das Memory-Zentrum der St.-Augustinus-Kliniken wurde vor mehr als einem Jahr eröffnet.

Das Memory-Zentrum der St.-Augustinus-Kliniken wurde vor mehr als einem Jahr eröffnet.

Foto: woi

Ob Psychotherapeut, Neuropsychologe oder Gerontopsychologe - der Bedarf an psychologischen Dienstleistern wächst. "Ein Beruf mit Zukunft" hat erst jüngst der Berufsverband Deutscher Psychologen konstatiert, als dieser ein Kompendium zum Berufsbild Psychologie veröffentlicht hatte. Auch das Memory-Zentrum der St.-Augustinus-Kliniken (AMZ) bekommt das zu spüren. "Es ist schwierig, fachlich qualifizierte Mediziner zu finden", gibt auch Professor Ulrich Sprick zu, der Chefarzt der Tagesklinik und Gerontopsychiatrischen Ambulanz.

Zu spüren bekommen das zum Teil auch Betroffene und Angehörige. Eine Wartezeit von vier bis sechs Wochen für erste psychologische und medizinische Testverfahren sei üblich, so Sprick. Aufgrund krankheitsbedingter Ausfälle und Personalwechsel gab es aktuell zum Teil auch deutlich längere Wartezeiten. "Aber", so Sprick, "jeder, der einen Facharzt-Termin benötigt, weiß, dass es einige Zeit dauern kann."

Unterschieden werde grundsätzlich zwischen Routine- und Notfällen. Letztere sind beispielsweise akute Situationen, in denen eine Fremd- oder Eigengefährdung drohe. Nicht selten seien auch Polizei- oder Rettungseinsätze vorausgegangen. Schleichende Gedächtnisdefizite oder Verhaltensauffälligkeiten dagegen zählen zu den Routinefällen. Um abzuklären, ob eine Demenz vorliegt, ist die Memory-Testung ein Spezifikum des AMZ. Nach ersten Aufklärungsgesprächen für Betroffene und Angehörige folgen umfassende Tests, um die Symptome abzuklären und eine neuropsychologische Diagnostik zu erstellen.

"Denn nicht jedes Gedächtnisdefizit ist eine Demenz", warnt Sprick. Vitamin- oder Flüssigkeitsverluste könnten manchmal auch Ursachen sein. Das gelte es abzuklären. Die verschusselte Geldbörse sei eher selten ein Warnzeichen, wohl aber, wenn begleitende, zum Teil aggressive Verhaltensweisen erfolgen. "Wenn ein Betroffener seine Angehörigen aggressiv des Diebstahls bezichtigt, kann das ein Hinweis sein", so der Experte. Die Gedächtnisdefizite bei Demenz seien oftmals jahrelange Prozesse. Er rät daher, möglichst frühzeitig in Testverfahren abklären zu lassen, ob es sich um eine Demenz handelt. "Insbesondere, wenn aktuelle Ereignisse vergessen oder Personen nicht wiedererkannt werden, können dies Anzeichen sein", so Sprick.

Nach über einem Jahr seit der Eröffnung des Memory-Zentrums zieht er eine positive Bilanz. Die verschiedenen Angebote des AMZ reichen von Tanz- und Sportkursen über gemeinsames Singen bis hin zu Info-Veranstaltungen und würden gut angenommen. "Wir haben viele innovative Ansätze", so Sprick und zählt auf: Demenzkranke, die zum Teil keinen Tag-Nacht-Rhythmus mehr haben, können es sich im Nachtcafé gemütlich machen. Gemeinsam mit der Firma Osram untersucht das AMZ, welchen Einfluss das sogenannte circadiane Licht, das den Tag-Nacht-Lichtwechsel verstärkt, auf den Bio-Rhythmus hat. Und eine Zahnärztin, die vor Ort praktiziert, erspart den Bewohnern zusätzlichen Stress, den ein Besuch außer Haus bedeuten kann. Um den Qualitätsanspruch zu erfüllen, sucht das AMZ weiter Mitarbeiter: aktuell einen Facharzt mit Schwerpunkt Gerontopsychiatrie.

(BroerB)
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