Neuss Lebensretter nach zehn Jahren

Neuss · Benjamin Nows (28) spendete einem an Blutkrebs erkrankten genetischen Zwilling in den USA Stammzellen - zehn Jahre nach seiner Typisierung in der Spenderdatei. Er ist dankbar für die Chance, ein Leben retten zu können.

Neuss: Lebensretter nach zehn Jahren
Foto: dkams

Die Nachricht, dass Benjamin Nows ein Lebensretter ist, lag im April in seinem Briefkasten. Das war der Moment, auf den der 28-Jährige zehn Jahre lang gewartet hat. Ein knappes halbes Jahr später sitzt der Werkstudent im Foyer seines Arbeitgebers 3M in Neuss und empfängt die Urkunde für seinen Einsatz mit einem beseelten Lächeln im Gesicht. "Lebensretter ist ein großes Wort", sagt er und atmet tief durch. "Aber es fühlt sich unvergleichlich an."

Benjamin Nows hat im Mai eine Stammzelspende abgegeben, die einem an Blutkrebs erkranktem US-Amerikaner das Leben gerettet hat. Nows kennt den Empfänger der Spende nicht, weiß nur, dass er ein halber Jahr älter ist. Und ein "genetischer Zwilling" von ihm sein muss. Damit dieser Zwilling, dem die Stammzellspende helfen kann, gefunden wird, auf diesen Moment m musste Nows zehn Jahre warten.

 Spender Benjamin Nows (2.v.r.) wurde ausgezeichnet von: Michael Peters (3M), Maike Hornberg (DKMS) und Reza Vaziri (3M, v.l.).

Spender Benjamin Nows (2.v.r.) wurde ausgezeichnet von: Michael Peters (3M), Maike Hornberg (DKMS) und Reza Vaziri (3M, v.l.).

Foto: Georg Salzburg

Als er 18 war, ließ er sich in der Deutschen Knochenmarkspenderdatei registrieren und typisieren. "Ein Cousin von mir war damals an Leukämie erkrankt, und ich wollte ihm helfen", erinnert er sich. "Er ist damals auch geheilt worden durch eine Spende." Zum Zug kam er damals nicht. Über viele Jahre ruhte Nows' Typisierung in dem Datenschatz der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS).

"Wir sind dankbar für jeden Spender", sagt Maike Hornberg von der DKMS, die Nows gestern in Neuss gemeinsam mit 3M-Deutschlandchef Reza Vaziri und Michael Peters aus der 3M-Geschäftsführung als Lebensretter auszeichnete. Zwischen 40 und 50 Millionen mögliche Spender im passenden Alter und Gesundheitszustand gibt es Schätzungen zufolge in Deutschland, aber nur gut vier Millionen sind in der DKMS registriert. Die Folge: "Ungefähr 20 Prozent der Leukämie-Patienten haben keinen passenden Spender und haben kaum Überlebenschancen", sagt Maike Hornberg. Die Chance für jeden registrierten Spender, einem erkrankten "genetischen Zwilling" helfen zu können, liegt bei rund einem Prozent.

Im Januar erhielt Benjamin Nows Post: Er gehört zu diesen ein Prozent. Neun von zehn Merkmalen mit einem 28-Jährigen Amerikaner stimmten überein. Im März und im April wurde weiter analysiert, bis klar war: Nows ist der ideale Spender. Mitte Mai kam er nach ärztlichen Checks nach Köln zur Stammzellspende. 3M, das vor drei Jahren selbst eine Typisierungsaktion seiner Mitarbeiter organisiert hatte, stellte ihn dafür von der Arbeit frei. Nows erhielt spezielle Präparate, die das Knochenmark-Wachstum fördern. Grippeähnliche Symptome stellten sich für einige Tage ein, Nows merkte einen leichten Druck in den Knochen. Sein "genetischer Zwilling", der auf die Spende wartete, machte derweil eine knallharte Chemo-Therapie durch.

Nach seiner Spende wartete Nows drei Wochen auf eine Nachricht. Dann meldete sich die DKMS: Die Transplantation ist gut verlaufen, der Patient befindet sich auf dem Weg der Besserung. Nows schrieb einen Brief an den Empfänger, die DKMS leitete ihn anonymisiert weiter. "Ich wollte ihm die Sorge nehmen, dass er mir etwas schuldig sei", sagt Nows. Dies und sogar Schuldgefühle, so bestätigt Maike Hornberg, ist unter Empfängern gar nicht mal selten. Wenige Wochen später kam die Antwort aus den USA. Der Empfänger, ein Soldat, bedankte sich. "Und er schrieb, dass seine deutschen Wurzeln wohl tiefer sind, als er geglaubt hat", berichtet Nows. Jetzt will er seinen genetischen Zwilling unbedingt kennen lernen. Doch das geht frühestens nach zwei Jahren, und nur dann, wenn der Empfänger das auch will. "Ich würde gerne wissen, wie ähnlich wir uns sind." Andreas Gruhn

Info Wer Geld oder Stammzellen spenden möchte, kann sich im Internet bei der Deutschen Knochenmarkspenderdatei unter www.dkms.de informieren.

(NGZ)
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