Interview: Martina De Maizière "Leistung der Soldaten verdient Würdigung"

Neuss · Die Ministergattin sprach auf dem blauen NGZ-Sofa über Hilfen für Familien, aus denen Soldaten stammen, die im Ausland eingesetzt werden.

 Martina de Maizière, Ehefrau des Innenministers, übernahm im Herbst 2012 die Schirmherrschaft für die Familienbetreuung der Bundeswehr.

Martina de Maizière, Ehefrau des Innenministers, übernahm im Herbst 2012 die Schirmherrschaft für die Familienbetreuung der Bundeswehr.

Foto: A. Woitschützke

Frau de Maizière, Sie sind seit Herbst 2012 Schirmherrin der Familienbetreuungszentren der Bundeswehr. Worum geht es bei Ihrem Ehrenamt? Wie sehen Sie Ihre Aufgabe?

Martina de Maizière Ich bin sehr gern nach Neuss gekommen, da es mir ein wichtiges Anliegen ist, bei allen möglichen Gelegenheiten in der Öffentlichkeit bekannt zu machen, dass es diese Familienbetreuungs-Organisation gibt. Mit der Attraktivitäts-Offensive von Frau von der Leyen - also Kitas in Kasernen und Flatscreens auf den Stuben - hat das nichts zu tun. Wir kümmern uns um Familien, deren Soldaten im Einsatz sind. Wir sind vor und während des Einsatzes und auch danach Ansprechpartner für die Angehörigen.

Seit der deutschen Wiedervereinigung hat sich das Selbstverständnis und vor allem der Auftrag der Bundeswehr verändert. Deutsche Soldaten und Soldatinnen müssen sich seither auch bei Einsätzen im Ausland ihrer Verantwortung stellen. Ist die Familienbetreuung für die Truppe im Zuge dieser Entwicklung ins Leben gerufen worden?

de Maizière Ja, die Familienbetreuung wurde Anfang der 1990er Jahre eingeführt, wenngleich es Auslandseinsätze schon etwas länger gibt. Der Auftrag der Bundeswehr hat sich verändert, aber ich möchte nicht viel über Politik reden. Unsere Soldaten und Soldatinnen gehören alle zu einer Familie - und um die geht es mir. Wir müssen das Thema gesamtgesellschaftlich sehen.

Wie viele Soldaten sind derzeit im Ausland im Einsatz, und wie werden sich diese Zahlen entwickeln?

de Maizière Wir haben derzeit 17 Auslandseinsätze. Afghanistan ist immer noch der größte Standort: Insgesamt gab es dort etwa 150 000 Einsatzverwendungen deutscher Soldaten, Ende dieses Jahres werden noch zirka 800 Soldaten dort sein. Es wird auch in Zukunft zu Einsätzen der Bundeswehr im Ausland kommen. In der Regel sind die Soldaten etwa fünf Monate am Stück im Auslandseinsatz, manche auch mehrmals. Es wird also immer Familien geben, denen wir eine Betreuung anbieten.

Wie nähern Sie sich den Familien? Gehen Sie auf alle aktiv zu, oder melden sich die Betroffenen bei Ihnen?

de Maizière Unsere Angebote sind in jedem Fall freiwillig. Die Soldaten erhalten ein Formblatt, auf dem sie ankreuzen müssen, wer benachrichtigt werden soll, wenn ihnen etwas zustößt. Dort können sie ankreuzen, ob sie damit einverstanden sind, dass ihre Familie während der Zeit ihrer Abwesenheit betreut wird.

Und wie ist die Resonanz auf dieses Angebot?

de Maizière Es hat mich überrascht, wie viele dort kein Kreuz machen. Manche haben uns gegenüber vielleicht Vorurteile und denken: "Meine Familie ist stabil, und so einen Psycho-Kram braucht sie nicht." Ich würde das System gerne umstellen und auf dieses Kreuzchen verzichten, aber das ist aus Gründen des Datenschutzes nicht möglich. Natürlich kann sich aber auch jeder Angehörige immer von selbst bei uns melden. Derzeit erreichen wir ungefähr 60 Prozent der Angehörigen mit unseren Angeboten.

Wie sehen diese Angebote aus?

de Maizière Da ist zum Beispiel die Mutter von zwei kleinen Kindern. Die Familie ist an den Standort des Mannes umgezogen und hat dort keine Verwandten. Während der Ehemann im Auslandseinsatz ist, fällt seine Frau die Treppe herunter und bricht sich ein Bein. Sie kann rund um die Uhr unseren Notruf wählen - und wir stellen die Betreuung der Kinder sicher, während die Mutter im Krankenhaus ist. Vielleicht braucht aber auch jemand einen Menschen, der ihm zuhört - etwa die Mutter eines Soldaten, der im Auslandseinsatz ist, und die sich Sorgen macht. Darüber hinaus bieten wir gesellige Veranstaltungen für die Familien an - vom Ausflug bis zum Grillfest. Wichtig ist auch die Schulung unserer vielen ehrenamtlichen Helfer, denen wir das nötige Rüstzeug an die Hand geben möchten. Mit meiner Erfahrung als Sozialpädagogin und Coach kann ich die Entwicklung von Angeboten auch professionell begleiten.

Welche Sorgen und Ängste haben die Angehörigen?

de Maizière Neben der Sorge, dass ihren Lieben etwas zustoßen könnte, ist die größte Sorge, dass sie verändert zurückkommen. Dann sage ich immer: Natürlich kommen sie verändert zurück! Schließlich haben sie mehrere Monate in einem ganz anderen Umfeld verbracht. Und das muss sich überhaupt nicht negativ auswirken. Mit einer posttraumatischen Belastungsstörung haben aber weniger als zehn Prozent zu tun. Das liegt daran, dass die Soldaten schon vor dem Einsatz auf ihre psychische Belastbarkeit hin geprüft werden. Und: Die Bundeswehr kümmert sich ein Leben lang um die Betreuung und Behandlung von psychisch oder physisch verwundeten Soldaten.

Fühlen Sie sich auch als Botschafterin der Bundeswehr?

de Maizière Ja, das tue ich. Die Bundeswehr ist nicht so zu Hause in der Gesellschaft, wie ich mir das wünsche. Wir sollten die Leistung von Menschen, die sich für uns alle einbringen, viel stärker würdigen.

Wie kam es, dass Sie das Amt behielten, nachdem Frau von der Leyen Ihren Mann Thomas de Maizière im Amt des Verteidigungsministers abgelöst hatte?

de Maizière Ich habe gesagt: "Wenn Ihr Mann das nicht übernehmen möchte, dann mache ich gerne weiter." Das Amt passt zu meiner Person. Ich bin mit dem Herzen dabei und freue mich darüber, wie offen und freundlich ich von Angehörigen wie Mitarbeitern empfangen werde. Ich habe meinen Mann damals häufig auf Reisen zu deutschen Standorten und Famiienbetreuungszentren begleitet, allerdings nie in Einsatzgebiete. Nach dem Hype um den Besuch des Ehepaars zu Guttenberg in Afghanistan haben wir gesagt: "So etwas machen wir nicht."

Welche Ziele und Wünsche hat die Schirmherrin Martina de Maizière für ihre künftige Arbeit?

De Maizière Ich möchte mich dafür einsetzen, dass wir noch mehr Angehörige erreichen. Und ich wünsche mir natürlich, dass ich nie wieder zu der Beerdigung eines deutschen Soldaten gehen muss. Als Mutter von drei Kindern kann ich die Trauer der Familien gut nachempfinden. Ich wünsche uns allen, dass uns das erspart bleibt.

LUDGER BATEN STELLTE DIE FRAGEN, CHRISTINE SOMMERFELD FASSTE DAS GESPRÄCH ZUSAMMEN.

(NGZ)
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