Neuss Malmsheimers kurioser Blick auf die Welt

Neuss · Jochen Malmsheimer hat sein Publikum im RLT nur mit Stimme und Text unterhalten.

 Imponiert nur mit Sprache: Jochen Malmsheimer.

Imponiert nur mit Sprache: Jochen Malmsheimer.

Foto: HJBA

Schlechte Laune hat er laut eigener Auskunft seit den 70er Jahren. Und ja, er ist ein Misanthrop und als einer, der den Wunsch seiner Kinder "mit Nagetieren zusammenleben" zu wollen, mit Kochrezepten für Meerschweinchen beantwortet, hält sich sein Enthusiasmus für Tiere in engen Grenzen. Zumindest, wenn sie, wie "zwei (!) Meerschweinchen zusammen, den IQ von Rasierschaum" haben.

Es macht nicht nur Spaß, dem grantelnden, zornigen Jochen Malmsheimer und seinen wunderbar bösen Reflektionen über die einfachsten Dinge zuzuhören, es tut auch unendlich gut, jenseits von guter Laune und Lachzwang einfach seinem schwarzen Humor zu folgen, seinen wunderbaren Boshaftigkeiten über japanische Gärten, zoologische Parks, Rentner in Mephistoschuhen, blaugelockte Omas in freier Wildbahn und vieles andere. Natürlich auch über das Wurstbrot. Eindeutig eines jener Dinge, die früher gut waren, nicht besser, nein, einfach gut. Und die es immer noch wären, hätte man sie nur so gelassen. Hat man aber nicht und wo man heute, dank Ei und Salatblatt das Gefühl hat, eher "in einen Komposthaufen zu beißen", gab es früher - unvorstellbar - Graubrot mit Geschmack, dick bestrichen mit Butter und drei - ("jawohl drei!! Der Krieg ist vorbei!!") Scheiben Cervelatwurst.

Jochen Malmsheimer, Kabarettist, aber nicht politisch, aus Essen, vielfach prämiert, unter anderem mit dem renommierten Prix Pantheon, gehört zu jenen, die einfach vor dem Mikrofon stehen und mit kaum mehr als Stimme und Text ihr Publikum stundenlang unterhalten. Der "einzige Vertreter der Quarkbrotliteratur" war in der RLT-Reihe "neuss 20.30" und bereitete den Neussern einen wundervollen Abend mit seinen Überspitzungen, Provokationen. Ob drohend, mal mit sehr tiefer, ruhiger Stimme, mal überraschend schrill, stets ist er eindrucksvoll, mitreißend, einfach komisch. Warum der Kölner Dom beim Besuch einer Dormagener Seniorengruppe aus der Luft aussieht, als sei er von einer Sanddüne umspült, wie absurd eine Radiosendung mit Hörerbeteiligung und Studioexperten sein kann, zumal zum spannenden Thema "Hebekippfenster und Schiebedrehtüren" oder Reflexionen vor dem Badespiegel im Shakespeareschen Duktus und in metrisch gebundener Sprache: Malmsheimer ist einfach grandios und ein endloser Genuss in seinen Provokationen und Überspitzungen, so erfrischend böse, so erfrischend fremd und skeptisch sein Blick, so punktgenau seine Sprache.

(KaTse)
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