Neuss Ministerpräsidentin ehrt Neusser Sozialpolitikerin

Neuss · Die Kreistagsabgeordnete und Awo-Vorsitzende Gertrud Servovs wird heute mit dem Verdienstorden des Landes ausgezeichnet.

 Gertrud Servos wird heute von der Ministerpräsidentin mit dem Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen ausgezeichnet.

Gertrud Servos wird heute von der Ministerpräsidentin mit dem Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen ausgezeichnet.

Foto: A. Woitschützke

Ihr Markenzeichen ist ihr roter Schopf, und wo der auftaucht, da ist etwas los: bei der Arbeiterwohlfahrt, der SPD, dem Landesbehindertenrat. Gertrud Servos (63) gestaltet gerne mit und hat sich dabei auch nie durch die Tatsache bremsen lassen, dass sie seit Kindertagen auf einen Rollstuhl angewiesen wird. Das imponiert, das reißt mit, das spricht sich herum - und bringt ihr heute eine Einladung in die alte Staatskanzlei in Düsseldorf ein, wo Ministerpräsidentin Hannelore Kraft der Neusserin den Verdienstorden des Landes verleihen wird.

Diese besondere Auszeichnung ist auf 2500 lebende Personen begrenzt. Gertrud Servos ist Nummer 1448 seit Stiftung des Ordens vor fast 30 Jahren. Heute ist sie mit zehn anderen Auszuzeichnenden Gast der Regierungschefin. Die ehemaligen Minister Klaus Töpfer und Guido Westerwelle sind dabei, die fast jeder kennt. Gertrud Servos kennt noch mindestens zwei mehr. Wie das eben so ist, wenn man sich über Jahrzehnte auch landesweit engagiert, und sich Netzwerke erarbeitet.

Als Ordensträgerin darf Servos heute nicht sprechen. Wenn man sie ließe, würde sie gerne zwei Dinge sagen: "Ich wünsche mir, dass wir zu einem respektvollen Umgang miteinander kommen und dass wir unser aller Verschiedenheit als Bereicherung empfinden." Und zweitens: "Ich danke meinen Eltern."

Die haben ihrer Tochter nicht nur durch ihre politische und soziale Arbeit ein Vorbild gegeben, sondern ihren Eifer auch nie mit Sätzen zu bremsen versucht wie: "Das kannst du nicht." Im Gegenteil. Als Gertrud Servos kein Gymnasium in Neuss als Schülerin annehmen wollte, taten sie eine Schule in Hessisch Lichtenau auf, die damals die erste inklusive Schule Europas war. Dort, mit dem Rücken an der innerdeutschen Grenze, wurde sie früh empfänglich für die Aussöhnungspolitik von Bundeskanzler Willy Brandt und 1970 SPD-Mitglied. Dort, im Kontakt mit Kriegswaisen von allen Enden der Welt, wurde sie friedenspolitisch geprägt. Dort, in der Juso-Schülergruppe, lernte sie, Ziele mit politischen Mitteln zu erreichen.

Das war anfangs ein Kakao-Automat in der Schule, im Studium die Einrichtung einer barrierefreien Toilette - und heute würden sie gerne die Bildungslandschaft umkrempeln, damit jedes Talent gefördert wird. Inklusion ist für sie nur "gutes Modell" und "Denkprozess".

Ihr politischer Weg führte sie vor über 25 Jahren in den Kreistag, weil der Kreis in vielen sozialen Fragen zuständig ist. Das zog sie an. Und weil Sozial- nie ohne eine gute Wirtschaftspolitik machbar ist, drängte sie auch in den Finanzausschuss. Das war nicht einfach, sagt sie.

In Neuss kam sie als sachkundige Bürgerin in den Sozialausschuss. Damit wurde sie Mitglied der SPD-Fraktion und Mitglied der Awo. Beides gehört irgendwie zusammen, meint sie. Als Nachfolger von Horst Kriete wurde sie Awo-Vorsitzende und ist das mit Überzeugung. Weil da weder soziale Grenzen noch die Herkunft der Menschen eine Rolle spielt. "Bei der Awo ist Leitbild, dass alles auch für Menschen mit Behinderung offen ist", sagt sie. Die allerdings müssten oft gezielt angesprochen werden, denn nicht jeder ist wie Gertrud Servos - und zieht einfach von selbst los.

(-nau)
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