Neuss "Mit dem Geldkoffer zum Geheimdienst"

Neuss · Im Kalten Krieg kaufte die Bundesregierung mehr als 220.000 Rumäniendeutsche frei. Verhandlungsführer: Heinz-Günther Hüsch.

 Beim "Forum Archiv und Geschichte" im Hitch-Kino (v.l.): Martin Flecken, Heinrich Hüsch, Hansi Schmidt und Heinz-Günther Hüsch.

Beim "Forum Archiv und Geschichte" im Hitch-Kino (v.l.): Martin Flecken, Heinrich Hüsch, Hansi Schmidt und Heinz-Günther Hüsch.

Foto: woi

Großer Andrang am Donnerstagabend im Hitch-Kino beim "Forum Archiv und Geschichte": Stadtarchivleiter Jens Metzdorf hatte alle Mühe, den zahlreichen Interessenten einen Platz vor der Leinwand zu verschaffen. Sie wollten erfahren, was sich bei einer lange geheim gehaltenen Sondermission während des Kalten Krieges ereignete, bei der der Neusser Anwalt und Politiker Heinz-Günther Hüsch die Hauptrolle spielte.

"Alle zwei bis drei Monate erfolgte eine Abrechnung, jedes Jahr kauften wir rund 11.000 Menschen frei", erzählte der Protagonist nach dem Dokumentarfilm "Ein Pass für Deutschland" des rumänischen Regisseurs Rãzvan Georgescu im Zeitzeugengespräch mit NGZ-Chefreporter Ludger Baten.

Mit auf dem Podium saß auch Sohn Heinrich Hüsch, der oft als Begleiter mit nach Rumänien reiste. "Ich kannte die genaue Mission nicht, sollte nur auf meinen Vater und die Aktenordner aufpassen. Ich machte das aus Familienverantwortung - und, weil es ein gut honorierter Studentenjob war", erzählte Heinrich Hüsch über sein "Abenteuer". Unter dem Decknamen "Eduard" führte sein Vater in der "Geheimsache Kanal" Verhandlungen mit dem rumänischen Geheimdienst Securitate, die die Auswanderung von insgesamt 226.654 Rumäniendeutschen bewirkt haben.

Hüsch trug die 1000-Euro-Scheine für den Handel mit den Menschen, die während des Kalten Krieges aus Rumänien ausreisen wollten, von der Neusser Commerzbank in verschiedene europäische Städte. "In einen schwarzen Aktenkoffer passten rund sechseinhalb Millionen D-Mark", erinnert sich der ehemalige Verhandlungsführer. "Man musste die Scheine aber schon ein bisschen zusammenpressen."

Bei einer Übergabe trug der ehemalige Bundes- und Landtagsabgeordnete sogar Banknoten im Wert von 24 Millionen D-Mark zum rumänischen Geheimdienst. "In diesem Fall wurde ich von einer Polizei-Eskorte begleitet. Ich hatte außerdem immer eine Waffe bei mir."

Hüsch, geboren 1929, wurde 1968 als 38-jähriger CDU-Landtagsabgeordneter in seiner Rolle als Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Vertragsrecht zum "Menschenhändler" für die Bonner Regierung und behielt den Job unter insgesamt vier Bundeskanzlern.

Bis zum Untergang des Ceausescu-Regimes 1989 hat er der Securitate den ständig steigenden Preis für die Freiheit der Rumäniendeutschen bezahlt. In der am Donnerstagabend gezeigten Dokumentation kommen zahlreiche Betroffene zu Wort, denen Hüsch geholfen hatte. Einer von ihnen, der im Banat geborene, heute 75-jährige Hansi Schmidt, ehemaliger Handball-Star beim VfL Gummersbach, berichtete im anschließenden Gespräch sichtlich bewegt von seinen Erlebnissen.

Er hatte sich während einer Handball-Tournee durch Deutschland abgesetzt und wurde später durch Hüschs Verhandlungen amnestiert - damit entfiel das Ausreiseverbot für die Familie. "Heinz-Günther Hüsch verdanke ich, dass meine Eltern zwölf Jahre später nachkommen konnten", sagt Schmidt.

(NGZ)
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