Neuss Mit Keith Haring zur Ortsbesichtigung

Neuss · Klaus Richter, städtischer Kurator und selber Künstler, hat den Star der Pop Art, Keith Haring, anlässlich der Münsteraner Ausstellung "Skulptur Projekt" 1987 kennengelernt. Bis zu Harings Tod 1990 hat er für ihn gearbeitet.

Eigentlich hatte Klaus Richter genug davon, für andere Künstler zu arbeiten. Damals, 1987. Er selbst begann gerade, sich als Bildhauer einen Namen zu machen, hatte deswegen nach gut zehn Jahren dem renommierten Düsseldorfer Galeristen Hans Mayer gesagt, dass er künftig nur noch in Ausnahmen für ihn arbeiten werde. Messegestaltung, Künstlerassistenz, Hängung von Ausstellungen in der Galerie - all das hatte ihm viele Jahre als Student an der Kunstakademie in der Klasse von Fritz Schwegler Spaß gemacht und vor allem auch das Leben finanziert. Aber nun war's gut. Eigentlich.

Doch dann bat Hans Mayer noch einmal um Begleitung und Unterstützung für einen Künstler. "Nee" war Richters erste Reaktion, wie der heutige städtische Kurator und stellvertretende Leiter der Alten Post lachend erzählt. Die zweite: "Wer ist es?" Und die dritte: "Ok!" Nachdem er hörte, dass es um Keith Haring ging.

Der amerikanische Pop-Art-Künstler war zur zweiten Auflage von "Skulptur Projekte" in Münster eingeladen worden, brauchte jemanden, der mit ihm durch Münster ging, ihn bei der Suche nach einem Ort für das zu schaffende Kunstwerk unterstützte. Eine Rundfahrt war es, sagt Richter, nur "gefühlte zwei Stunden" sei er mit Haring im Taxi unterwegs gewesen. "Es war ein trüber Tag, aber Keith sprudelte vor Ideen."

Am Denkmal von Hermann Landois, der den Zoologischen Garten Münsters gegründet hatte, legte Haring sich dann fest. "Es regte ihn auf, dass der Zoo nach außerhalb verlagert worden war und dort eine Bank gebaut hatte", erinnert sich Klaus Richter. Und so entwickelte Haring die Idee zu "Red Dog for Landois": Ein Hund, der aus der Erde wächst, wo mal der Zoo war, und der die Bank verbellt. Richter war in der Folge dafür verantwortlich, dass die Skulptur so gebaut wurde, wie Haring sie wollte - rund zehn Meter hoch, aus Stahl geformt und rot lackiert. Zehn Jahre blieb die Arbeit in Münster, wesentlich länger als gedacht. Denn eigentlich war das Skulptur-Projekt ein temporäres, aber Harings deutscher Galerist Hans Mayer überließ sie den Münsteranern als Leihgabe. "Heute steht sie vor dem Museum Weishaupt in Ulm", sagt Richter.

Dass es von diesem ersten Besuch Harings in Münster einen Film gibt, hatte Klaus Richter jedoch völlig vergessen. Aber genau dieser tauchte dieser Tage wieder auf. Gedreht hatte ihn Norbert Nowotsch, der damals schon im Fachbereich Design der FH Münster arbeitete (und später dort Professor wurde), im Auftrag der Projektorganisation. "Die blaue Schimanski-Jacke habe ich immer noch", kommentiert Richter die Bilder und lacht. "Damals sind wir überhaupt nicht aufgefallen."

Für ihn war die persönliche Begegnung mit der Ikone der Pop Art in jeder Hinsicht ein Gewinn. Er, der den Amerikaner ohnehin für seine Kunst bewunderte, wurde nun auch ganz eingenommen von seinem Wesen. "Er war unglaublich nett, bescheiden und umgänglich", erzählt er, "großzügig außerdem, denn Kindern oder dem Bäcker beim Kauf eines Gebäcks schenkte er Sticker. Und überall, wo ihm etwas auffiel oder gefiel, zückte er einen Filzstift und malte seine Zeichen oder Strichmännchen drauf."

In Münster könnte es so was wie einen Keith-Haring-Pfad geben - wenn der Regen nicht vieles abgewaschen hätte. Ohnehin wusste wohl nicht jeder mit Harings Kunst etwas anzufangen, obwohl dieser schon damals ein Weltstar war. Der wiederum einen anderen Weltstar verehrte: Andy Warhol. Auch den hat Richter persönlich kennengelernt, aber das ist eine andere Geschichte. Gleichwohl hatte er damit bei Haring gepunktet.

Nach Richters Erinnerung war der New Yorker bei den anderen Projekt-Künstlern nicht gut gelitten. "Viele hatten sich monatelang mit Münster und den Örtlichkeiten beschäftigt", erklärt er, "Haring kam für zwei Stunden, und fertig war seine Idee." Richter vermutet noch heute, dass es kein Zufall war, dass Harings Skulptur, "obwohl sie schon fertig in Münster stand", nicht mehr vor der Pressekonferenz zur weltweit beachteten Kunstschau aufgestellt werden sollte. Was dazu führte, dass Haring und er mit der Einstellung, "egal, was die Organisatoren sagen - wir bauen die Arbeit auf", selbst anpackten. Mit dem Kranfahrer waren sie zu immerhin zu dritt, um dieses "Husarenstück" zu meistern. "Eine Wahnsinnsarbeit", sagt Richter kopfschüttelnd, "auch wenn sie gut vorbereitet war. Und sie war schwierig, weil erst der Sockel montiert werden musste, dann wurden die Beine des Hundes angeflanscht. Wir haben unglaublich viel schrauben müssen." Und es am Ende auch geschafft.

Nach dieser ersten Zusammenarbeit in Münster blieben Richter und Haring in der Arbeit verbunden. Der Düsseldorfer Künstler überwachte in den knapp drei Folgejahren, die Haring noch lebte - er starb mit 32 Jahren an Aids -, dessen in Deutschland entstehende Skulpturen. Die entwarf der US-Amerikaner nicht nur auf Papier, sondern formte auch kleine Modelle aus Pappe oder ähnlichem Material. Für ihn aber waren diese Modelle nicht nur Vorarbeiten. "Sie waren ihm sehr wichtig", sagt Richter, "und er hat immer darauf geachtet, dass sie zu ihm zurückkamen." Und so hat er als Harings Mitarbeiter später erlebt, "dass eine Spedition für ein Papp-Modell eine Kiste wie für ein fertiges Kunstwerk bauen musste". Diese "richtig tolle" Kiste habe er damals behalten. Er besitzt sie noch heute.

Als Richter ein Skulptur-Modell nach Paris bringen musste, wo der US-Künstler bei einem Europabesuch Station machte, sprach der Düsseldorfer ein letztes Mal mit Keith Haring. Im November 1989 haben sich die beiden zum Frühstück im Ritz getroffen: "Keith Haring war damals schon sehr von seiner Krankheit gezeichnet", erzählt Richter, "aber wollte trotzdem auch über das Buch reden, das er plante. Es wurde nie realisiert." Haring starb im Februar 1990.

(hbm)
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