Daher gab es über die weihnachtlichen Festtage auch immer drei feste Termine für mich - die Ausstrahlung der Sissi-Trilogie. Meist gemeinsam mit meinen Cousinen verfolgte ich Jahr für Jahr den Lebensweg der einstigen bayerischen Prinzessin und späteren Kaiserin von Österreich und Königin von Ungarn. Dass die Schwärmerei nicht von gestern ist, beweist beinah tagtäglich die Faszination um Herzogin Kate von Cambridge aus dem englischen Königshaus.

Heutzutage gibt es kaum mehr als drei Anlässe, an denen frau Ballrobe tragen kann: Zur Hochzeit, als Schützenkönigin und auf dem Wiener Opernball - viel zu selten also. Da ich weder verheiratet bin - und die Verkäuferinnen im Brautmodenladen ganz schön einschüchternd sein können, wenn sie sagen: "Ein Brautkleid anzuprobieren, ohne Heiratsabsichten zu haben, bringt Unglück" - noch einen aktiven, schießwilligen Schützen zum Freund habe und mir die Wiener High Society bloß aus den Boulevardblättern entgegenprostet, blieb mir vorerst die große Robe verwehrt. Bis jetzt, als ich von einem Kollegen gefragt wurde, ob ich einmal in eine Sissi-Robe steigen möchte: Ja, ich will!

Ohne ein Unglück im Brautladen riskieren zu wollen, führte mich der Weg zur Anprobe in den Fundus des Rheinischen Landestheaters. Dort hatte Alide Bülde, leitende Kostümbildnerin des RLT, bereits die große Robe bereitgelegt. Ein pastellfarbener Mädchentraum aus Tüll und bestickter feiner Seide mit einer langen Schleppe.

"Rund zwei Wochen braucht ein Schneider für solch ein Kleid. Allein das für die jeweilige Schauspielerin maßgefertigte Mieder benötigt 40 Arbeitsstunden", sagt Bülde. Anders als bei Jeans und Pullover ist das Anziehen eines solchen Kleides ohne Hilfe undenkbar.

Vom Einstieg bis hin zum Schnüren geht nichts alleine - jetzt erklären sich auch die vielen Damen in Sissis Garderobe. Für das nötige Volumen sorgt ein riesiger Reifrock. Schwer und unpraktisch hatte ich mir das Tragen eines solchen Kleides vorgestellt, aber mein Exemplar besticht mit leichten Stoffen und den elastischen Reifen des Unterrocks. Das konnte zu Zeiten Kaiserin Elisabeths aber ganz anders ausgesehen haben. "Wenn schwere Stoffe wie beispielsweise Brokat verwendet wurden, konnten die Kleider schon einiges wiegen. Nicht bloß wegen der engen Taillenschnürung sind die Damen in Ohnmacht gefallen", sagt die 57-Jährige.

Soweit ist es bei meinen Anproben zum Glück dann nicht gekommen. Fertig angezogen wackele ich sogleich mit meiner Hüfte, um zu beobachten, wie der Rock sanft über dem Boden schwebt und nehme gleich darauf unwillkürlich eine andere Haltung an: Schultern, zurück, Becken vor, Hals nach oben gestreckt und keine hektischen Bewegungen mehr - schließlich stolziert die Trägerin eines solchen Kleides elegant einher.

Und noch eins fällt mir auf: Der riesige Radius des Rocks hält sogleich die Mitmenschen auf Distanz - es soll und will doch schließlich keiner auf den Saum treten. Beim Ausziehen bin ich natürlich wieder auf helfende Hände angewiesen. Und während ich wieder in meine Hose schlüpfe, bin ich doch froh, dass ich größtenteils ohne Kleidervorschriften und spanisches Hofzeremoniell auskomme.

Das sieht auch heute bei einer modernen Prinzessin anders aus, wie die Berichte über Kates Garderobe zeigen. Das Volk jedoch könnte der Herzogin kaum ein größeres Kompliment machen: Ihre eleganten, aber schlichten Kleider sind meist wenige Stunden nach dem Auftritt ausverkauft.