Frank Zils Mitarbeiter 50plus - ein Schatz für Unternehmen

Neuss · Beim Wettbewerb "Deutschlands beste Arbeitgeber 2015" wurde das Pharmaunternehmen Janssen mit dem Sonderpreis für "demografiebewusstes Personalmanagement" ausgezeichnet. Janssen-Personalchef Frank Zils erklärt seine Strategie.

Frank Zils: Mitarbeiter 50plus - ein Schatz für Unternehmen
Foto: Woitschützke, Andreas (woi)

Herr Zils, Mitarbeiter, die 50 Jahre und älter sind, müssen in manchen Unternehmen schon um ihre Jobs fürchten. Janssen setzt dagegen auf die Motivation und Entwicklung auch älterer Mitarbeiter. Was macht Ihr Programm "Silverpreneur" preiswürdig?

Frank Zils Wir sind nicht das einzige Unternehmen, das sich mit dem Thema befasst, aber wir gehen es mitunter anders an. Viele der bereits existierenden Konzepte sind sehr defizitorientiert: Es geht darum, wie man ältere Mitarbeiter schonen kann, etwa durch altersgerecht eingerichtete Arbeitsplätze, zum Beispiel rückenschonende Sitze, spezielle Gesundheitskurse für ältere Mitarbeiter oder gar speziell abgestimmte Produktionsbänder.

Was ist daran auszusetzen?

Zils Ältere Mitarbeiter können sich dadurch im Vergleich mit ihren jüngeren Kollegen schnell diskriminiert fühlen. Wir müssen fragen, was zu tun ist, damit ältere Mitarbeiter das Gefühl haben, genauso wertgeschätzt und entwickelt zu werden, wie ihre jüngeren Kollegen - wenn auch vielleicht in anderer Form.

"Silverpreneur" klingt aber zunächst nach einem Spezialprogramm für Mitarbeiter mit grauen Schläfen...

Zils Beim Start des Programms gab es diese Einschätzung durchaus, so nach dem Motto: Ein "Greisen-Programm" ist nichts für mich. Wir haben das erklärt und klar gemacht, dass es nicht um das Abstempeln vermeintlich weniger leistungsfähigerer Mitarbeiter geht - im Gegenteil: "Silver" steht für Berufserfahrung, mindestens 25 Jahre, nicht für die Haarfarbe. "Entrepreneur" steckt im Namen des Programms, weil wir dafür Leistungsträger suchen, die engagiert, leidenschaftlich und begeisterungsfähig sind wie ein Firmengründer. Hier geht es - salopp formuliert - nicht um ein Rollatoren-Vorbereitungsprogramm.

Wie haben Sie das Programm "Silverpreneur" konzipiert?

Zils Zunächst haben wir 210 Mitarbeiter der Altersgruppe 50plus nach ihren Wünschen und der Einschätzung ihrer Situation gefragt. Die Überraschung: Nur die wenigsten Mitarbeiter waren an einem vorzeitigen Ausstieg aus dem Berufsleben interessiert. Die vielfach geforderten Alters-Teilzeitmodelle waren also gar nicht besonders gefragt. Die meisten unserer älteren Mitarbeiter wollen sich weiter einbringen und gefordert, aber auch gefördert werden. Das hat uns ermutigt, das Programm "Silverpreneur" zu starten.

Was erwartet die Teilnehmer des Programms

Zils Die Teilnehmer konnten in Gruppen selbst Themen definieren, die eine Relevanz fürs Unternehmen haben. Ein Beispiel ist unser Mentoring-Konzept, das von den Teilnehmern entwickelt wurde. Sie wollten Wege finden, um sich stärker und systematischer in die Unternehmensorganisation einzubringen und Wissen und Erfahrung an jüngere Kollegen weiterzugeben. Dazu haben sie ein Trainingskonzept zur Auswahl und Vorbereitung von Mentoren entwickelt. Das haben wir dann auch umgesetzt. Ältere und jüngere Mitarbeiter lernen voneinander. Das kommt auch bei den Jüngeren sehr gut an, weil sie einen sehr schnellen Einstieg ins Unternehmen und ihren Aufgabenbereich bekommen und dabei von Erfahrungen und Netzwerken älterer Kollegen profitieren.

Und was haben die älteren Mitarbeiter davon?

Zils Umgekehrt ist es für die älteren Mitarbeiter interessant, wie Berufseinsteiger heute "ticken". Dabei entdecken sie überraschende Ähnlichkeiten: Sicherheit und Verlässlichkeit zum Beispiel sind für beide Generationen wichtige Themen.

Gibt es schon weitere Ergebnisse aus dem Silverpreneur-Programm?

Zils Zum Beispiel das Thema "intergeneratives Führen". Eine Gruppe hat sich intensiv damit beschäftigt: Heute arbeiten in Team oft zwei bis drei Generationen. Das stellt Führungskräfte vor neue Herausforderungen. Das Thema wird bislang in Unternehmen noch wenig beachtet, ist aber wichtig. Ein Beispiel: Es geht darum, mit einem Mitarbeiter im Außendienst Ziele zu vereinbaren. Ein 32-Jähriger hält es möglicherweise für eine gute Idee, dies schnell und effektiv bei einem Treffen in einer Autobahnraststätte zu besprechen. Ein älterer Mitarbeiter, der es anders gewohnt ist, würde das vermutlich für sehr despektierlich halten.

Wie hoch ist die Quote der Über-50-Jährigen in Ihrem Unternehmen?

Zils Etwa 34 Prozent unserer Mitarbeiter sind über 50 Jahre alt. Das ist eine relativ hohe Anzahl. Unser Altersdurchschnitt liegt bei 46 Jahren, im Außendienst tendenziell noch etwas höher. Gleichzeitig ist die Fluktuation bei Janssen mit rund drei Prozent gering. Das ist eine Herausforderung für das Unternehmen: Wie können wir diese Gruppe adäquat in der Organisation weiterentwickeln? Und wie gelingt es uns gleichzeitig, jüngere Mitarbeiter ins Unternehmen zu holen?

Welche Karrierechancen hat jemand über 50 noch?

Zils Wir sind zum Beispiel sehr offen für crossfunktionale Veränderungen. So kann etwa ein Mitarbeiter aus dem Verkauf im Marketing ganz neue Aufgaben übernehmen. In der Gesamtorganisation haben wir gar nicht mehr so viele Führungspositionen und -ebenen, dass man sich über Jahrzehnte von einer Stufe zur anderen entwickeln könnte. Karriere muss nicht heißen, dass jemand in eine höhere Führungsebene aufsteigt. Karriere kann auch heißen, sein Spektrum zu erweitern, in eine andere Funktion zu wechseln oder zum Beispiel eine europäische Aufgabe in der Unternehmensgruppe zu übernehmen oder auch in einen der anderen Geschäftsbereiche zu wechseln.

Auch mit Blick auf den drohenden Fachkräftemangel: In welchem Maße wird die Bedeutung älterer Mitarbeiter für Unternehmen wachsen?

Zils Das Thema wird für viele Unternehmen in Zukunft gravierender sein als derzeit gemeinhin erwartet. Ich bin immer wieder sehr überrascht, dass das Problem aller Diskussionen zum Trotz nicht als besonders dringlich wahrgenommen wird. In fünf oder sechs Jahre werden viele Unternehmen sehr überrascht sein, wenn sie "plötzlich" vor nicht zu besetzenden Stellen und Positionen stehen. Wenn qualifizierte Bewerber fehlen, wird die Notwendigkeit, ältere Mitarbeiter länger zu halten, deutlich.

Wie werden die Unternehmen in dieser Situation reagieren?

Zils Wahrscheinlich erleben wir einen Aktionismus: Unternehmen werden versuchen, schnell Programme aufzulegen, um ältere Mitarbeiter zu halten, damit Know-how nicht verloren geht.

Worauf sollten ältere Arbeitnehmer, die sich im Unternehmen weiterentwickeln wollen oder einen neuen Job suchen, achten?

Zils Eigeninitiative, Engagement, Leidenschaft, das sind drei wichtige Stichworte. Ein Beispiel: Bei allen unseren Entwicklungsprogrammen haben wir viel Wert darauf gelegt, dass jeder, der teilnehmen möchte, ein Motivationsschreiben formuliert. Anhand dieser Schreiben lässt sich schnell erkennen, ob ein Mitarbeiter über den Tellerrand hinaus schaut, offen für Neues ist und sich Herausforderungen stellt. Das ist für uns eine wichtige Voraussetzung, mit der viele Wege offen stehen.

In einer Umfrage haben Sie nach der Bedeutung des Wohlfühl-Faktors bei der Entscheidung von Arbeitnehmern für ein Unternehmen gefragt. Ist Wohlfühlen wichtiger als Geld?

Zils Ob sich Mitarbeiter in einem Unternehmen wohlfühlen, ist nicht direkt messbar, man kann das nur erfragen. Aber der Wohlfühl-Faktor ist eine wichtige Komponente, die mit darüber entscheidet, ob Mitarbeiter einem Unternehmen länger verbunden bleiben.

Wie definieren Sie Wohlfühlen?

Zils Dazu gehören die Identifikation mit den Zielen und der Ausrichtung des Unternehmens, die Zufriedenheit mit der Unternehmens- und Führungskultur, aber auch ein guter Austausch mit den Kollegen. Das sehen wir zum Beispiel in unserem Fitness-Center. Kollegen, die das in Anspruch nehmen, empfinden es als angenehm, auch in der Freizeit noch etwas mit den Kollegen unternehmen zu können. Arbeit und Leben lassen sich nicht trennen. Arbeit ist ein Teil des Lebens. Entscheidend ist es, die richtige Balance zu finden.

Wie erreichen Sie diese Balance?

Zils In entsprechenden Workshops haben wir nach Wohlfühl-, aber auch nach Stressfaktoren gefragt. Stress entsteht zum Beispiel dann, wenn Sie einen Chef haben, der schlecht führt, der Erfolge und die Zusammenarbeit nicht würdigt oder unrealistische Zeitvorgaben und Ziele setzt.

(NGZ)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort