Neuss Momentaufnahmen aus dem Alltag

Neuss · "Um ein Haar" ist eine Ausstellung im Studio Bronx betitelt, die Fotoarbeiten von Stefanie Minzenmay und Wolfgang Zurborn zeigt. Der Titel ist wörtlich zu nehmen, aber auch sinnbildlich gemeint.

 Eine Momentaufnahme aus Oberhausen: Wolfgang Zurborn hat sie 2004 aufgenommen.

Eine Momentaufnahme aus Oberhausen: Wolfgang Zurborn hat sie 2004 aufgenommen.

Foto: W. Zuborn

Sie kennen sich schon lange, haben viel miteinander gearbeitet, dass die Chemie für die erste gemeinsame Ausstellung auch stimmt, ist den beiden Künstlern anzumerken. Und doch ist auch ein Unterschied spürbar: Wolfgang Zurborn ist eher Mentor und sieht sich auch so; Stefanie Minzenmay ist seine Mentee - auch wenn die Ausstellung zeigt, dass sich beide durchaus ebenbürtig sind.

Das Studio Bronx, eine Künstlergemeinschaft, zu der auch Minzenmay gehört, erweist sich einmal mehr als höchst lebendiger und vor allem offener Ort für starke Kunst. Dieses Mal geht es allein um Fotografie. "Um ein Haar" ist die Ausstellung betitelt, die zum einen ein bisschen vom Düsseldorfer Photoweekend (3. bis 5. Februar) nach Neuss holt und zum anderen nachhaltig beweist, dass Fotografie als Kunstgenre völlig zu Recht eine Renaissance erlebt.

 Aus der Reihe "No order" stammt diese unbetitelte Fotoarbeit von Stefanie Minzenmay.

Aus der Reihe "No order" stammt diese unbetitelte Fotoarbeit von Stefanie Minzenmay.

Foto: S. Minzenmay

"Das Thema hat sich aus Berührungspunkten in unserer Arbeit entwickelt", sagt Minzenmay. Drei großformatige Schwarz-weiß-Arbeiten ("Verzweigt") von ihr zeigen - Haare. Im Detail und in der Natur: Strähnen auf einem Holzstück oder zwischen Kieferzweigen, ein Kopf inmitten eines Busches. Einerseits erkennbar und doch entfremdet, denn Haare werden bei ihr zu einem Teil der Natur, zu etwas Archaischem, dessen Strukturen sich kaum vom Untergrund oder Umgebung unterscheiden.

"Ich mag das Skulpturhafte", sagt Minzenmay. Das gilt auch für ihre Arbeiten der Serie "No Order". Da geht es um Momentaufnahmen, die die metaphysische Ebene des Titels "Um ein Haar" reflektieren. Die eben in der nächsten Sekunde ganz anders ausgefallen werden. Das Bauschen der Gardine im Hotelzimmer, das benutzte Handtuch im Bad, das winzig wirkende erleuchtete Schiff in dunkler Nacht sind genau jene Details, die ihren Blick fürs Skulpturale angesprochen haben.

Bei der Hängung der Ausstellung haben beide Fotografen bewusst auf eine Durchmischung verzichtet, stattdessen auf Gegenüberstellung gesetzt. So steht jede Arbeitsweise für sich und doch lässt die Hängung eine innere Beziehung unter den Exponaten erkennen.

Zurborn hat dafür eine Arbeit aus den 1980er Jahren, aus seiner bekannten Reihe "Menschenbilder - Bildermenschen" wandbespielend vergrößert, holt dadurch erst recht vier junge Menschen in den Fokus, genauer deren Haarschöpfe. Den Menschen im Kontext der Massengesellschaft zu zeigen, war damals das globale Anliegen seiner Serie, erzählt er, der in Köln Workshops gibt, als Dozent in Dortmund lehrt und diese Bilder auch schon im Folkwang Museum ausgestellt hat. Jetzt passt noch mehr: "Haare sind ein Zeichen für eine Gruppenzugehörigkeit."

Die situative Momentaufnahme ist dabei ebenfalls Zurborns "Markenzeichen". Er sieht Dinge, die kaum einer im Straßenbild wahrnehmen würde. "Detailversessen" nennt er sich selbst, er fragmentiert seinen Blick auf eine Szene und damit auch den des Betrachters. Der sieht dann plötzlich das Schattenmonster auf der Straße, das nur mit diesem Licht, in diesem Moment sichtbar ist. Undefinierbare Einzelteile (vermutlich einer Pappmasché-Figur) die auch Chilis sein könnten, malen es aufs Pflaster.

(hbm)
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