Neuss Mord im Jobcenter - Gedenken am Jahrestag

Neuss · Für die Kollegen der vor einem Jahr getöteten Irina N. wird am Donnerstag ein Gedenkgottesdienst angeboten. Noch immer ist die Betroffenheit groß.

Mit einem ökumenischen Gedenkgottesdienst in der Marienkirche wird am Donnerstag an Irina N. erinnert, die vor genau einem Jahr in ihrem Büro im Jobcenter an der Stresemann-Allee von dem arbeitslosen Ahmed S. (52) mit Messerstichen tödlich verletzt worden war. Der Wunsch dazu kam aus dem Kollegenkreis, berichtet die Notfallseelsorgerin Angelika Ludwig, die diese Feier mit Pastoralreferent Alexander Neuroth gestaltet, doch stehe die Kirche um 8.30 Uhr allen offen, die Anteilnahme zeigen oder mittrauern möchten. Alle Einrichtungen des Jobcenters im Rhein-Kreis öffnen deshalb am Donnerstag erst um 10 Uhr.

Gut 20 Notfallseelsorger waren vor Jahresfrist im Einsatz, nachdem Ahmed S. seine damals 32-jährige Sachbearbeiterin erstochen hatte und viele Kollegen zu Augenzeugen der Tat machte. Groß waren Entsetzen und Betroffenheit — und sind es noch. Der Prozess gegen den voll schuldfähigen Mörder, der im April mit einer lebenslangen Haftstrafe endete, hatte die Wunden nicht heilen können. Kurz vor dem Jahrestag der Tat, so berichtet Ludwig, nahmen die Anrufe und Anfragen von Jobcenter-Mitarbeitern wieder zu. "Manche sind noch verwundet", sagt Ludwig. "Nichts ist so wie vorher." Und das gilt auch für die Notfallseelsorger selbst, die am Abend ihrerseits zusammenkommen. "Das war auch für uns nicht alltäglich."

Viele Jobcenter-Mitarbeiter, die auch professionelle psychologische Unterstützung bekamen, hielten Kontakt mit den Seelsorgern. Zu dem Mitarbeiter, den der mit zwei Messern bewaffnete Ahmed S. an jenem Morgen vor einem Jahr eigentlich aufsuchen wollte, riss er ab. Auch zur Familie des damals 32-jährigen Opfers hat Pfarrer Olaf Schaper, der die Angehörigen in den Tagen bis zur Beisetzung auf dem Düsseldorf-Unterrather Friedhof begleitete, keine Verbindung mehr: "Ich hätte gerne eine Andacht gemacht, aber die Familie hat sich völlig zurückgezogen."

Die Reaktionen, die Pfarrerin Ludwig heute aus dem Jobcenter hört, kreisen auch um die Frage: "Hat sich eigentlich was geändert? Kann das wieder passieren?" Fragen, die schon direkt nach der Tat gestellt wurden, als unter deren Eindruck eine breite Diskussion über die Sicherheit in Behörden und öffentlichen Gebäuden in Gang kam.

Im Jobcenter Neuss berührte diese Diskussion unmittelbar die Pläne für den Neubau an der Karl-Arnold-Straße, der im Oktober bezugsfertig sein soll — und die Büros an der Stresemann-Allee überflüssig macht. "Das Sicherheitskonzept war bereits vor dem 26. September 2012 mit unabhängigen Experten abgestimmt, wurde aber nach dieser Tat noch einmal überprüft und verbessert", betont Behördensprecher Christoph Janßen. Sicherheitsschleusen nach dem Vorbild der Kontrollen an Flughäfen aber gibt es nicht. Aus der Personalvertretung war das heftig und öffentlich kritisiert worden. Werner Marquis, Sprecher der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit in NRW, weiß um diese heiß diskutierten Schleusen — und warum ein Arbeitskreis, der in dieser Behörde nach der Bluttat von Neuss eingerichtet wurde, zu ihrem Einbau nicht raten kann. Der Zugang würde behindert, mehr Sicherheitspersonal benötigt, zudem müsste die Polizei vor Ort sein. Aber selbst das, so Marquis, "würde keine 100-prozentige Sicherheit bringen."

(NGZ)
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