Neuss Morsezeichen aus Allerheiligen

Neuss · In den 1960er Jahren hörte er bei der Bundeswehr per Morsetechnik den Ostblock ab. Ländergrenzen überwindet Ralf-Peter Becker noch immer: Von seinem Keller morst und funkt er in die Welt – aber nicht zum Ausspionieren.

 Nostalgie im Keller von Ralf-Peter Becker: Zwei- bis dreimal pro Woche funkt und morst der ehemalige Physiklehrer in die Welt. Handy und Computer hat er aber auch.

Nostalgie im Keller von Ralf-Peter Becker: Zwei- bis dreimal pro Woche funkt und morst der ehemalige Physiklehrer in die Welt. Handy und Computer hat er aber auch.

Foto: Andreas Woitschützke

In den 1960er Jahren hörte er bei der Bundeswehr per Morsetechnik den Ostblock ab. Ländergrenzen überwindet Ralf-Peter Becker noch immer: Von seinem Keller morst und funkt er in die Welt — aber nicht zum Ausspionieren.

Im Keller von Ralf-Peter Becker versagt jedes Handy. Aber auch wenn jede Satelliten- und Stromverbindung ausfällt, kann der 67-Jährige sich auf seine Morsetaste und seine Amateur-Funkstation in Allerheiligen verlassen. Mit ihnen "besuchte" er schon jeden Kontinent. "Ich bin noch nie nach Übersee geflogen", sagt der ehemalige Physik- und Mathelehrer, "aber mit nur fünf Watt — also weniger Leistung als einer Glühbirne — schaffe ich es per Funk sogar zu Priestern in Tansania, zu Farmern in Australien oder New Yorker Geschäftsmännern." In "Fachkreisen" kennt man ihn als df2jb — sein Rufzeichen im Amateurfunk.

Bei der Bundeswehr absolvierte Ralf-Peter Becker 1963 eine sechsmonatige Ausbildung im Morsen — zu "Spionagezwecken". "Wir hörten den Ostblock ab, und der Ostblock hörte uns ab. Mit dem Tastfunken konnten wir die Mauer des Kalten Kriegs durchdringen, den Kontakt zu den Menschen dort bekommen. Das war faszinierend." Mit dem internationalen Morsealphabet könne man nicht nur politische, sondern auch sprachliche Barrieren überwinden: "In der Telegrafie reichen wenige, allgemeinverständliche Abkürzungen, um sich weltweit auszutauschen."

Mit dem Amateurfunk kam Becker Mitte der 1970er Jahre in Kontakt — über df4dq, einen inzwischen verstorbenen Kollegen. Becker stattete sich damals mit einer eigenen Amateur-Funkstation aus. "Gut 3000 DM habe ich damals dafür gezahlt." Mit seiner offiziellen Amateurfunklizenz und damit seiner Zulassung zum internationalen Amateurfunk ist er nun schon gut drei Jahrzehnte in Sachen Morsen und Funken unterwegs. "Manchmal spreche ich mit einem New Yorker: Ich dachte bei New York immer an Wolkenkratzer und konnte mir nicht vorstellen, dass da jemand eine große Antenne auf das Hochhaus stellt." Aber der Big Apple, das sei nicht nur Manhattan. "Es gibt viele Amateurfunker in den Vororten der Stadt, und die haben riesige Antennenanlagen auf ihren Hausdächern oder in ihren Gärten. Das erfährt man beim Funken. Und wie das Wetter dort ist, oder wie gut mein Signal ankommt."

Mit dem Internet habe der Amateurfunk in den vergangenen 20 Jahren starke Konkurrenz bekommen. "Aber das Morsen entdecken inzwischen junge Menschen für sich. Es ist etwas Elitäres geworden, gerade. Jeder kann sprechen, telefonieren oder eine SMS schreiben. Aber Morsen muss man lernen. Und dann ist es der einfachste und sicherste Weg, um mit Menschen — egal welcher Kultur — zu kommunizieren." Musikalische Begabung könne beim Lernen der Zeichen helfen.

Trotz seiner beiden nostalgischen Hobbys entzieht sich Ralf-Peter Becker nicht der modernen Technik. "Ich benutze das Internet, habe eine eigene Homepage und zwei Handys. Aber das Nachrichtenschreiben schaffe ich über das Handy nicht." Zum Abschied funkt Becker oft: HPE CUAGN. "Das ist Englisch und bedeutet ,Hope to call you again': Hoffe, dich wieder zu hören."

(NGZ)
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