Neuss Namensgeber für Straße umstritten

Neuss · Die Politik streitet über die Frage, ob der ehemalige Neusser Landrat Ferdinand von Lüninck als Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime in Neuss geehrt werden kann - und hörte einen Experten dazu an. Seine Antwort: Ein klares Ja.

 Ekkehard Klausa (l., mit Kulturdezernentin Christiane Zangs) hat keinen Zweifel: Ferdinand Freiherr von Lüninck (r.) war Widerstandskämpfer.

Ekkehard Klausa (l., mit Kulturdezernentin Christiane Zangs) hat keinen Zweifel: Ferdinand Freiherr von Lüninck (r.) war Widerstandskämpfer.

Foto: Salzburg/Archiv

Ferdinand Freiherr von Lüninck, der von 1919 bis 1922 als Landrat in Neuss wirkte, war ein Widerstandskämpfer gegen das Hitlerregime und verdient es, dass man ihn mit der Benennung einer Straße ehrt. Daran ließ Ekkehard Klausa von der Forschungsstelle Widerstandsgeschichte in Berlin keinen Zweifel, als er am Mittwochabend auf Einladung der Stadt im Romaneum vor gut 40 Zuhörern genau dieser Frage nachging.

Vor allem die Linkspartei hat Vorbehalte gegen von Lüninck, der zwar nach dem Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944 wegen Hochverrats zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde, aber als Oberpräsident der Provinz Westfalen bis 1938 Teil des nationalsozialistischen Staatsapparates gewesen war. "Können wir jemanden ehren, der nicht einverstanden war mit dem Krieg und der Behandlung der Juden, wenn er zugleich nichts dagegen getan hat, als in den 1930er Jahren Regimegegner in Haft kamen?", fragte Roland Sperling. Ihn hatte das Bild, das Klausa von dem nationalkonservativen Westfalen zeichnete, nicht überzeugt. Andere sahen das anders. "Wir sind entscheidungsreif", stellte Hartmut Rohme für die SPD fest, die den Antrag gestellt hat, die Benennung einer Straße in Weckhoven nach von Lüninck auf die Tagesordnung des Rates zu setzen.

Politisch diskutiert wurde dieser Vorschlag schon. Anfang März hatte sich im Kulturausschuss letztlich eine große Mehrheit dafür ausgesprochen, dem Vorschlag aus der Bürgerschaft zu entsprechen und in dem Neubauquartier an der Hülchrather Straße eine von-Lüninck-Straße vorzusehen. Die Linkspartei suchte dem im Hauptausschuss mit einem Dringlichkeitsantrag zu widersprechen, doch dieser Antrag wurde nicht erörtert. Bürgermeister Herbert Napp hielt vielmehr die Umsetzung an. "Im Vordergrund steht dabei", begründet Napp seinen Schritt in einem Brief an alle Stadtverordneten, "der Anspruch aller Mitglieder des Rates, nach umfassender Prüfung selbst zu entscheiden." Genau deshalb lud die Verwaltung den promovierten Soziologen und Widerstandsforscher Klausa zu Vortrag und Diskussion ein - und elf von 68 persönlich angeschriebenen Ratsmitgliedern nutzten dieses Angebot. Klauss war trotzdem beeindruckt. Ihm war bisher kein Fall bekannt geworden, gab er zu, wo sich Stadtverordnete derart intensiv mit einer solchen Ehrung beschäftigen.

 Ekkehard Klausa (l., mit Kulturdezernentin Christiane Zangs) hat keinen Zweifel: Ferdinand Freiherr von Lüninck (r.) war Widerstandskämpfer.

Ekkehard Klausa (l., mit Kulturdezernentin Christiane Zangs) hat keinen Zweifel: Ferdinand Freiherr von Lüninck (r.) war Widerstandskämpfer.

Foto: Salzburg/Archiv

Von Lüninck, so nahmen die Zuhörer mit nach Hause, gehört sicher nicht in die erste Reihe des Widerstandes. Sein Fall sei problematischer als der Widerstand der "Weißen Rose", der Emigranten oder der kommunistischen wie sozialdemokratischen Widerstandskämpfer der ersten Stunde, sagte Klausa. "Aber er war repräsentativer für das Volk der Verblendeten und Verängstigten, das wir waren." Von Lünincks Handeln sei ein Exempel "für den sehr schweren Weg des konservativen Widerstandes: Anfangs mitgemacht, dann klüger geworden und am Ende sein Leben gewagt." Lüninck, der sich selbst von einem Amt im Staatsapparat löste, hatte sich Ende 1943 bereit gezeigt, nach einem erfolgreichen Umsturz einer Widerstandsregierung in herausgehobener Position dienen zu wollen - und damit seinen Hals in die Schlinge gelegt. Er starb, so Klausa, "sicher nicht für die Demokratie, aber im Kampf gegen Gewaltherrschaft".

(NGZ)
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