Politik droht mit Kündigung Galopp in Neuss nach 144 Jahren vor dem Aus

Neuss · Seit 1875 werden in Neuss Galopprennen gelaufen. Damit könnte schon Ende 2019 Schluss sein. Einen Antrag auf Vertragskündigung wird die SPD-Ratsfraktion am Donnerstag in der Gesellschafterversammlung stellen.

 Eine besondere Atmosphäre: In Neuss werden seit Jahren an Winterabenden Rennen auf der Sandbahn gelaufen. Doch nur wenige Fans und Wetter kommen.

Eine besondere Atmosphäre: In Neuss werden seit Jahren an Winterabenden Rennen auf der Sandbahn gelaufen. Doch nur wenige Fans und Wetter kommen.

Foto: imago

Die SPD hat klare Vorstellungen: Die Stadt kündigt den laufenden Vertrag mit dem Neusser Reiter- und Rennverein fristgerecht, so dass im Winter 2019 letztmalig edle Vollblüter um Sieg und Platz auf der Bahn vor dem Hessentor galoppieren. Damit würden in Neuss 144 Jahre Galoppsportgeschichte zu Ende gehen. Den Antrag auf Vertragskündigung wird Donnerstag die SPD-Ratsfraktion in der Gesellschafterversammlung stellen. Das bestätigte Vorsitzender Arno Jansen: "Wir haben auf unserer Klausurtagung beraten und sehen keine andere Möglichkeit." Der Rennverein habe keine zukunftsfähige Konzeption vorgelegt; dem falle nur ein, dem städtischen Tochterunternehmen Neuss Marketing Mehrkosten in Höhe von rund 120.000 Euro aufzubürden: "Das werden wir auf keinen Fall mitmachen."

Dem widerspricht Altbürgermeister Herbert Napp, der den Verein berät, vehement. Es läge ein Vertragsentwurf auf dem Tisch, inklusive Einnahme-Überschuss-Rechnung, und die Bereitschaft, bei Verbesserung der Finanzsituation einen Nachschlag zu zahlen. Der Verein verzichte auf Investitionsforderungen. "So lange keine andere Nutzung ansteht", sagt Napp, "macht eine Kündigung keinen Sinn." Warum, so fragt er laut, solle Neuss auf zehn bis zwölf Renntage im Jahr verzichten, wenn die Infrastruktur vorhanden sei und der Verein und die Rennen niemanden stören.

Der SPD-Antrag hat dennoch beste Aussichten, eine Mehrheit zu finden. Obwohl die größte Fraktion, die CDU, sich erst morgen abschließend verständigen wird, schimpft ihre Vorsitzende Helga Koenemann schon vorab: "Ich versuche alles, um eine Lösung mit Galoppsport in Neuss zu finden. Aber wenn sich ein Verein derart wehrt, gerettet zu werden, müssen wir den schmerzhaften Gang antreten." Seit mehr als einem Jahr zeige die Stadt in den Verhandlungen Geduld, nun sei das Ende der Fahnenstange erreicht: "Der Verein betreibt keine Jugendarbeit. Der Verein tut nichts für die Integration. Aber der Verein stellt Forderungen an die Stadt."

Seit 30. August 1875 werden auf der Neusser Bahn Galopprennen gelaufen; zudem sind dort Ställe ansässig, die das Areal für die Trainingsarbeit nutzen. Seit Jahren konzentriert sich das Neusser Turfangebot auf Sandbahnrennen in den Wintermonaten. Der Rennverein zahlt eine Pacht für die Nutzung an die Stadt. Ihm fehlt offenbar Geld, den Zins zu entrichten und die vereinbarte Grünpflege zu leisten. Hintergrund: Immer mehr Menschen wetten online; Geldströme fließen an den Renn-Veranstaltern vorbei.

Die SPD werde nun das Gespräch mit Schützenpräsident Martin Flecken suchen, denn es sei Wille der Fraktion, die Rennbahn als Festwiese und als grüne Oase für die Neusser zu erhalten. Es könne sinnvoll sein, das von HBM (heute BAM) vor Jahren vorgelegte Konzept noch einmal zu studieren und die Idee einer Multifunktionshalle zu verfolgen. Die SPD werde sich im Januar eine entsprechende Halle in Gummerbach "als Muster" anschauen.

(-lue)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort