Neuss Neuss - Teil des europäischen Fundaments

Neuss · Forum Archiv und Geschichte lud zum Burgundermahl. Karl von Habsburg-Lothringen sprach als Ehrengast vor mehr als 150 Gästen über die europäische Dimension, die der Burgunder-Frieden nach der Belagerung von Neuss eröffnete.

 Karl von Habsburg, Oberhaupt des Hauses Habsburg, trug sich ins Goldene Buch der Stadt Neuss ein; rechts Vize-Bürgermeister Thomas Nickel.

Karl von Habsburg, Oberhaupt des Hauses Habsburg, trug sich ins Goldene Buch der Stadt Neuss ein; rechts Vize-Bürgermeister Thomas Nickel.

Foto: R. Lüpertz

Karl von Habsburg überzeugt als Redner. Er spricht frei. Faktensicher und eloquent erzeugt er Bilder in den Köpfen seiner Zuhörer. Zum Ende umschmeichelt er die Neusser Seele. Ja, nimmt er einen Gedanken von Gastgeber Martin Flecken auf, auch er kenne neben Amsterdam und Neuss keine weitere Stadt, die die Kaiserkrone im Wappen führe. Allerdings sei es in Amsterdam die Rudolfskrone, in Neuss hingegen die Primärkrone: "Neuss ist also die Nummer eins!" 150 Gästen im Dorint Hotel gefiel das Bonmot, das sie mit einem Lächeln quittierten. Kein Widerspruch erhob sich. So ein Satz des Oberhauptes des Hauses Habsburg ist für die Neusser Ewigkeit.

Es ist längst eine liebe Tradition geworden. Am Vorabend des Fronleichnamstages bittet der Verein "Forum Archiv und Geschichte" zum Burgundermahl, um im festlichen Rahmen einem Redner zu lauschen, der in europäischen Dimensionen denkt und handelt. So war vor zwei Jahren der hoch angesehene, frühere polnische Außenminister Wladyslaw Bartoszewski zu Gast.

Der 53-jährige Karl von Habsburg, ein Enkel des letzten österreichischen Kaisers, steht seit 2007 an der Spitze des Hauses Habsburg mit rund 500 Familienmitgliedern. Er gehörte, wie schon sein Vater Otto von Habsburg, dem Europäischen Parlament an. Bereits im August vergangenen Jahres hatte von Habsburg die Stadt Neuss besucht. Damals nahm er am Herbsttreffen der Europäischen Schützen teil und schlug Vize-Bürgermeister Thomas Nickel zum Ritter. Von Habsburg ist Großmeister der Ritterschaft vom Heiligen Sebastian in Europa. Mittwoch gab's ein Widersehen. Als Erster Stellvertretender Bürgermeister war Thomas Nickel Gastgeber, als sich der Vertreter des europäischen Hochadels ins Goldene Buch der Stadt Neuss eintrug: "Sie sind friedensstiftend in Europa unterwegs und stecken mit ihrer Idee und ihrem Engagement an."

Mit dem Burgundermahl erinnert das "Forum Archiv und Geschichte" an die erfolgreiche Abwehr der Belagerung der Stadt Neuss 1474/75 durch den Burgunder Karl den Kühnen. Den historischen Ereignissen gab Karl von Habsburg eine durchaus konstruktive Deutung, und er tat das überaus glaubwürdig: Als 15-facher Urenkel vertritt er in seiner Person die damaligen Kontrahenten. Denn nach der Belagerung der Stadt Neuss beschlossen Karl der Kühne von Burgund und Kaiser Friedrich III. aus dem Hause Habsburg, ihre Kinder Marie und Maximilian zu verheiraten. So sieht Karl von Habsburg in seiner Familiengeschichte einen Vorläufer des europäischen Gedankens.

Diese historische Dimension führte von Habsburg in seiner Rede bis auf Philipp den Guten, den Vaters Karl des Kühnen, zurück. Das Herzogtum Burgund, geografisch zersplittert, organisierte seine Verwaltung dezentral, lokal. Damals, eine "moderne, revolutionierende Reform". Zudem schuf er den "Orden vom goldenen Vlies", der auch vermeintliche Gegner aufnahm. So saßen Freunde und Feinde als Ordensträger an einem Tisch. Für Karl von Habsburg wurde damals das europäische Fundament gelegt, "von dem wir heute noch zehren". Ein Botschafter dieses europäischen Gedankens ist Karl von Habsburg. Mittwoch sprach er in Neuss, noch in der Nacht fuhr er mit dem Wagen nach Wien zurück, gestern war er bereits wieder in London.

(NGZ)
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