Peyman Azhari Neusser Fotograf mit iranischen Wurzeln

Neuss · Was ist Heimat und wie fühlt sie sich an? Der Wahl-Neusser Peyman Azhari begibt sich mit seiner Kamera auf Suche nach Antworten. Ein Porträt.

Die Ruhe nach dem Klang: ein leerer Konzertsaal – ein Foto von Peyman Azhari.

Die Ruhe nach dem Klang: ein leerer Konzertsaal – ein Foto von Peyman Azhari.

Foto: Peyman Azhari

Was ist Heimat und wie fühlt sie sich an? Der Wahl-Neusser Peyman Azhari begibt sich mit seiner Kamera auf Suche nach Antworten.

Die Rückseite der Freiheit ist kein schöner Anblick. Sie steht auf einem schier unerreichbar hohen Sockel und wirkt wuchtig und schroff. Ihre Haare im Nackenbereich wecken Assoziationen mit der Frisur des amtierenden US-amerikanischen Präsidenten. Zig Millionen Fotos von der Freiheitsstatue wurden schon gemacht. Aber diese Perspektive, von hinten und unten zugleich, dürfte für die meisten Menschen völlig neu sein. Es ist ein starkes Foto von der "Statue of Liberty", eine Aufnahme von politischer Dimension. Die Kehrseite des amerikanischen Traums, verewigt in Schwarz und Weiß, hat in Zeiten Donald Trumps das Zeug zur Ikone.

Der Mann, der dieses Foto geschossen hat, kommt mit dem Rad zum alten Wasserturm. "Ich mache sehr viel mit dem Rad oder mit der Bahn", sagt er. "Mein Auto habe ich schon vor elf Jahren verkauft." Peyman Azhari hatte den Treffpunkt oberhalb der Mühlenstraße selbst vorgeschlagen. Er kenne sich in Neuss noch nicht so gut aus, aber ihm gefalle der Stadtgarten.

Der 33-Jährige hat perfekt frisiertes schwarzes Haar, einen akkurat gestutzten Bart und trägt einen modischen Kurzmantel. Am Kameragurt hängt eine Leica. Auf dem Kindersitz des Fahrrads hat er einen Leinenbeutel verstaut, in dem sich verschiedene Bildbände befinden - seine bisher wichtigsten Arbeiten.

 Dieses Bild nahm Peyman Azahri in der Dortmunder Nordstadt auf.

Dieses Bild nahm Peyman Azahri in der Dortmunder Nordstadt auf.

Foto: Peyman Azhari

Seit rund einem Jahr lebt der Fotograf mit seiner Frau und dem inzwischen zweijährigen Sohn im Stadionviertel. "Neuss war eigentlich ein Zufall", erzählt er wenig später in einem Café in der Innenstadt. Da seine Frau in Düsseldorf arbeitet, lag die Nachbarstadt im wahren Wortsinn nahe. Für den gebürtigen Iraner ist es eine weitere Station in einem schon sehr bewegten Leben. Im ersten Golfkrieg verließ seine Familie aus Angst Teheran. Mit vier Jahren kam Peyman Azhari nach Hessen, wo er aufwuchs. "Wir waren Flüchtlinge", betont er.

Zum BWL-Studium ging er dann ins Rheinland. Wenn man ihn heute fragt, wo seine Wurzeln liegen, antwortet er: "Physisch in Köln." Dort habe er viele schöne Jahre erlebt. Er sei zwar im Iran geboren, doch danach sei er wie ein Baum verpflanzt worden. "Und wie ein Baum habe ich meine Wurzeln mitgenommen." Starke Bindungen in den Iran gibt es jedoch nach wie vor.

 Ein Kiosk-Verkäufer versteckt hinter seiner Ware.

Ein Kiosk-Verkäufer versteckt hinter seiner Ware.

Foto: Peyman Azhari

Das Thema Heimat spielt eine große Rolle im Werk des hochbegabten Kamera-Autodidakten. Für den Reportageband "Heimat 132" sprach er im Jahr 2014 in der Dortmunder Nordstadt mit Menschen unterschiedlicher Herkunft und fotografierte sie. Diese Arbeit rief ein großes Medienecho hervor, nicht nur im Ruhrgebiet. "Ich wollte vor allem wissen, was diese so unterschiedlichen Menschen miteinander verbindet."

Welche Antwort hat er bekommen? "Ihre Gemeinsamkeit ist die Vielfalt, denn jeder hat ein anderes Heimatverständnis." Eine Syrerin habe ihm beispielsweise gesagt, dass für sie Heimat "wie Mutter" sei. Eine andere Antwort lautete "Heimat ist viel Arbeit". Man müsse sie aufbauen. Azharis selbst empfindet es heute so: "Für mich ist Heimat meine Familie, meine Frau und mein Kind."

Auch New York war schon einmal seine Heimat, wenn auch nur für ein knappes Jahr. Das war 2010, er wohnte in Harlem. "1440 Minutes New York City" heißt die Sammlung von Aufnahmen aus der Weltstadt. Azhari arbeitet auch als Auftragsfotograf. Er setzt bewusst auf analoge Fotografie und verzichtet auf Zoom-Objektive.

Sein erklärtes Ziel ist es, dass möglichst jedes Foto für sich allein stehen und auch Unbeteiligte ansprechen kann. Das gelte auch für Hochzeitsfotos. Die Beispiele, die er auf den Café-Tisch legt, von feiernden Menschen in Polen und England, zeigen, dass er dem hohen Anspruch an sich selbst gerecht wird.

(NGZ)
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