Neuss Neusser Muslime besuchen Buchenwald

Neuss · Auf Initiative der OT Barbaraviertel besuchten muslimische Jugendliche, die zum Teil aus ihrer feindlichen Position gegenüber Juden und dem Staat Israel keinen Hehl machen, die KZ-Gedenkstätte Buchenwald in Thüringen.

 Die Teilnehmer der Exkursion beschäftigten sich beim Besuch der Gedenkstätte Buchenwald mit den dunklen Seiten der deutschen Geschichte.

Die Teilnehmer der Exkursion beschäftigten sich beim Besuch der Gedenkstätte Buchenwald mit den dunklen Seiten der deutschen Geschichte.

Foto: N. Elsäßer

Albaner, Syrer, Marokkaner waren unter den Toten, derer auf dem zentralen Mahnmal in der Gedenkstätte Buchenwald gedacht wird: Für die rund 20 Jugendlichen zwischen 14 und Mitte 20, die an der Exkursion der Jugendeinrichtung Offene Tür (OT) Barbaraviertel nach Weimar und Buchenwald teilnahmen, war es ein erschütternder Moment, zu sehen, dass auch Menschen aus ihren Herkunftsländern betroffen waren vom mörderischen Hass, der im Nationalsozialismus Staatsideologie wurde.

"Auf der Hinfahrt waren alle noch eher in ausgelassener Stimmung, weil sie die Tour als Ausflug und Reise aus dem Alltag wahrnahmen", beschreibt Niels Elsäßer die Stimmung. Der Leiter der Jugendeinrichtung Barbaraviertel hatte gemeinsam mit Philine Ringes und in Kooperation mit Victoria Dahm vom Haus der Jugend die Exkursion organisiert. Selbst der endlose Stau, der die Busfahrt zu der 430 Kilometer entfernten Stadt in Mitteldeutschland zu einer 14-stündigen Geduldsprobe machte, änderte nichts daran.

Nicht zuletzt junge Muslime, von denen einige aus ihrer feindlichen Position gegenüber Juden und dem Staat Israel bisweilen keinen Hehl machen, waren die Zielgruppe dieser kleinen Reise, mit der Sozialpädagoge Elsäßer zentral vermitteln wollte, wohin Antisemitismus und eine Abkehr von demokratischen Grundwerten führen können.

Merklich stiller wurde es im Bus, als sie hinausfuhren aus dem bunten Weimar, der Kulturstadt der Deutschen, durch Wälder, vorbei an Mahnmalen und Massengräbern, in eine unwirtliche Gegend: Bei frostigen Temperaturen und eisigem Wind standen die Jugendlichen plötzlich auf einer Anhöhe vor dem berüchtigten Tor, das für etwa 56.000 Menschen einen qualvollen Tod bedeutete: "Jedem das Seine" lesen sie und beugen sich wenige Schritte später zu der 37 Grad warmen Gedenkplatte, die fühlen lässt, was verloren ging: "Das war der Moment, wo sie gespürt haben, das waren Menschen, die Ziele und Hoffnungen hatten. Wie ich. Das hätte ich sein können", erzählt Elsäßer.

Gefördert aus dem Bundesprogramm "Demokratie leben" vom Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, ebenso vom Neusser Kulturamt war die Exkursion der Jugendlichen in die deutsche Geschichte, deren helle und dunkle Seiten in Weimar und Buchenwald so unmittelbar beieinander liegen.

Einen ganzen Tag nahmen die Exkursionsteilnehmer die Geschichten von Menschen und dem unfassbaren Leid, das ihnen zugefügt wurde, in sich auf. Bei einer Stadtrallye durch die Stadt Weimar erfuhren sie am nächsten Tag zudem allerhand über Johann Wolfgang Goethe, Friedrich Schiller und die deutsche Klassik: "Es ist wichtig, die Erinnerung weiterzugeben, damit die Kinder auch in 20 oder 150 Jahren wissen, was passiert ist", fasste einer der Teilnehmer zusammen. "Es gab damals keine Gleichberechtigung. In unserer Demokratie gilt die Würde des Menschen als unantastbar und das ist wichtig", sagte ein anderer und brachte auf den Punkt, was alle verstanden haben.

(NGZ)
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