Beschleunigtes Verfahren Neusser Premiere für den "kurzen Prozess"

Neuss · Am Montag gab es im Amtsgericht erstmalig ein beschleunigtes Verfahren. Dem Angeklagten ohne festen Wohnsitz wurde Diebstahl vorgeworfen.

Beschleunigtes Verfahren: Neusser Premiere für den "kurzen Prozess"
Foto: Tinter Anja

Auf die Teilnahme an dieser Premiere hätte der junge Mann aus Indien wohl lieber verzichtet: Ein 25-Jähriger wurde gestern vor dem Neusser Amtsgericht zu einer Geldstrafe in Höhe von 900 Euro verurteilt. Eigentlich eine nahezu alltägliche Angelegenheit für den zuständigen Richter Kay Krüger.

Dieser Fall war dennoch etwas Besonderes - denn dabei handelte es sich um das erste sogenannte beschleunigte Verfahren auf Neusser Boden. Bereits seit Anfang Juli dieses Jahres besteht in der Quirinusstadt die Möglichkeit, Kleinkriminelle spätestens innerhalb einer Woche vor Gericht zu stellen. Zwei Fälle hatte das Neusser Amtsgericht bislang für den "kurzen Prozess" eingereicht. Beide waren für die Staatsanwaltschaft Düsseldorf aber nicht dafür geeignet.

Der gestrige Fall erfüllte offenbar alle Kriterien: Dem Angeklagten wird vorgeworfen, am 13. September in der Galeria Kaufhof in Neuss Parfüm im Wert von rund 150 Euro gestohlen zu haben. Der Beschuldigte versuchte erst gar nicht, die Tat zu bestreiten und legte ein Geständnis ab. "Ich habe einen Fehler gemacht", sagte der 25-Jährige, der nach Erkenntnissen des Amtsgerichtes nicht vorbestraft ist.

Beschleunigtes Verfahren: Neusser Premiere für den "kurzen Prozess"
Foto: Christian Charisius

Nachdem er am 13. September festgenommen wurde, kam er einen Tag später in sogenannte Hauptverhandlungshaft in die JVA Ratingen - auch diese Maßnahme ist Teil des beschleunigten Verfahrens. Das Einsperren von Beschuldigten - bis zu einer Woche ist das möglich -, wenn eine Verhandlung am Tag der Festnahme nicht möglich ist, soll nach Angaben der Staatsanwaltschaft Düsseldorf auch eine abschreckende Funktion haben.

Der Angeklagte gab an, so etwas nie wieder zu machen. Undurchsichtig waren die Hintergründe seines Neuss-Aufenthaltes. Denn eigentlich lebt der indische Staatsbürger seit 2011 in Rom. Dort wohnt er nach eigenen Angaben gemeinsam mit einem Freund zur Miete. Einen Beruf habe er nicht gelernt. Er arbeite jedoch für 700 monatlich als Reinigungskraft in einer Pizzeria. Nach Neuss sei er gekommen, "um mal eine andere Stadt kennenzulernen". Auf die Nachfrage von Richter Krüger, warum denn ausgerechnet nach Neuss - "schließlich ist es nicht unbedingt eine Metropole" - sagte der 25-Jährige, dass er in der Stadt einen Bekannten habe. Dieser habe auch bei der Tat vor der Galeria Kaufhof gewartet. Das gestohlene Parfüm sei nicht für den Weiterverkauf, sondern für Eigennutzung vorgesehen gewesen.

Der Angeklagte gab an, in Deutschland ohne festen Wohnsitz zu sein. Und gerade dieser Aspekt dürfte entscheidend bei der Ansetzung für ein beschleunigtes Verfahren gewesen sein. Nach Angaben von Amtsrichter Gerhard Thelen sei der "kurze Prozess" bei dieser Personengruppe "absolut sinnvoll". Denn immer wieder habe es in der Vergangenheit Schwierigkeiten gegeben, Menschen ohne festen Wohnsitz nach einer Tat ausfindig zu machen und Schreiben zuzustellen. Das Gericht muss dem Angeklagten übrigens erst einen Pflichtverteidiger bestellen, wenn eine Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten zu erwarten ist. So war es auch gestern. Neben dem Angeklagten saß lediglich ein indischer Dolmetscher.

Das noch nicht rechtskräftige Urteil begründete Richter Krüger damit, dass der Diebstahl zwar offenbar sein erstes Vergehen gewesen sei, jedoch sei er dabei "planvoll und professionell" vorgegangen.

(jasi)
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