Neuss Neusserin zum Pflege-Einsatz in Palästina

Neuss · Andrea Kuckert-Wöstheinrich opferte ihren Jahresurlaub, um in einem Pflegeheim in Palästina mitzuarbeiten. Die dort gemachten Erfahrungen will sie auch bei der Qualifizierung von Flüchtlingen im Memory-Zentrum anwenden.

 Andrea Kuckert-Wöstheinrich (v.li.) genießt die Pause mit ihren Kolleginnen im Pflegeheim eines Salvatorianerinnen-Ordens in Palästina.

Andrea Kuckert-Wöstheinrich (v.li.) genießt die Pause mit ihren Kolleginnen im Pflegeheim eines Salvatorianerinnen-Ordens in Palästina.

Foto: Augustinus-Kliniken

Sie wollte eigentlich nur ein wenig über den Tellerrand schauen und sehen, wie die Pflege älterer Menschen im Ausland läuft. Schlussendlich fand sich Andrea Kuckert-Wöstheinrich in Qubeibeh im Westjordanland wieder. Zwölf Kilometer von Jerusalem entfernt absolvierte die für Forschung, Bildung und Beratung zuständige Leiterin des St.-Augustinus-Memory-Zentrums einen vierwöchigen "Auslandseinsatz" im Westjordanland.

"Ich hörte durch Zufall, dass Salvatorianerinnen in einem besetzen Gebiet ein Alten- und Pflegeheim namens Beit Emmaus führen", erzählt die ausgebildete Krankenschwester und promovierte Ethnologin. Die Idee, dort vier Wochen mitzuarbeiten, stufte sie selbst zunächst als "Schnapsidee" ein. Schwester Hildegard von "Beit Emmaus" signalisierte aber sofort ihre Zustimmung: "Für solch spinnerte Ideen bin ich immer zu haben", erinnert sich Kuckert-Wöstheinrich.

So verbrachte sie ihren Jahresurlaub im Westjordanland und blickt nun auf einzigartige Erfahrungen zurück. An drei Tagen in der Woche versorgte sie gemeinsam mit acht Ordensschwestern, palästinensischen Krankenschwestern, weiteren angelernten Frauen und Praktikanten 34 ausschließlich weibliche Bewohner. Die Hälfte war zusätzlich geistig behindert. "Das ist dort im Alter tabu", erklärt die Fachfrau.

Ihr erlernter Beruf als Krankenschwester kam Kuckert-Wöstheinrich sehr zugute. Trotz einiger Belastungen stuft sie ihre Erfahrungen als großartiges Erlebnis ein. Die klassische Pflege habe sehr gut geklappt - und zwar auch ohne sich untereinander sprachlich verständigen zu können. Das bestätigten ihr die einheimischen Pflegekräfte und die strahlenden Gesichter der zu versorgenden Frauen.

Es habe ihr imponiert, mit wie viel Fingerspitzengefühl und Empathie die pflegerischen Tätigkeiten ausgeführt wurden, sagt die Neusserin. "Dort herrscht ein großer Respekt vor den zu betreuenden Menschen, der gleichzeitig von Empathie getragen wird", so Andrea Kuckert-Wöstheinrich. Die Gestaltung der Lebensqualität lag die Frage zugrunde: Was braucht der Mensch heute? Diese Haltung bilde die Grundlage der dortigen Arbeitseinstellung. Der Alltag in dem besetzten Gebiet war beeinflusst von der politischen Situation. Gegen die Willkür der Israelis sei man machtlos gewesen, sagt sie. "Nach einem Attentat wurden drei Dörfer abgesperrt, und die Hälfte der Mitarbeiter konnte nicht zur Arbeit kommen", erinnert sich die Projektleiterin. Das fördere die gegenseitige Hilfe und Unterstützung. "Die Gesellschaft wächst zusammen, weil sie besetzt ist", sagt Kuckert-Wöstheinrich.

Zurück in Deutschland schwebt ihr eine Veränderung der Arbeitshaltung von Pflegekräften vor. Sie sollten mit viel Gespür für dementiell Erkrankte tätig sein. "Wie trete ich mit jemandem in Beziehung?" wäre ein möglicher täglicher Leitsatz. Dass man auch ohne Sprachkenntnisse Menschen gut versorgen kann, könnte den aktuell im Memory-Zentrum angelaufenen Qualifizierungsmaßnahmen für Flüchtlinge zu Alltagsbegleitern für Menschen mit Demenz zugute kommen.

(NGZ)
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