Neuss Neustart mit Kunst

Neuss · Wilhelm Petzold, bis 2011 Geschäftsführer der Stiftung Insel Hombroich, hat mit seiner Frau Helga ein Internetforum für private Kunst gegründet.

Sechs Jahre ist es her, dass Wilhelm Petzold die Geschäfte der Stiftung Insel Hombroich in andere Hände gab und damit endgültig im Rentnerdasein angekommen war. Zumindest schien es so. 71 Jahre war er damals alt, hatte acht Jahre zuvor die kaufmännische Geschäftsführung (ehrenamtlich!) auf Betreiben seines Freundes (und Hombroich-Gründer) Karl-Heinrich Müller übernommen, die Zahlen auf Vordermann gebracht, so manches Projekt betreut und war überhaupt fast jeden Tag auf der "Insel" oder der "Rakete" anzutreffen. Und als er 2011 endgültig aufhörte, schien es fast unmöglich, dass das auch das Ende jeglicher Aktivitäten, die mit Kunst zu tun haben, sein könnte. War es natürlich auch nicht.

"Ein Jahr lang haben wir, meine Frau Helga und ich, das Rentnerleben genossen", sagt der heute 77-Jährige lachend. Er gehörte zum Vorstand der Kopfermann-Fuhrmann-Stiftung und in der Startphase auch zu dem des Reuschenberger Kunstvereins "Wurzeln und Flügel". Und: "Wir waren viel in Ateliers unterwegs, haben Kunstausstellungen besucht und uns um unsere Sammlung gekümmert." 490 Objekte hat das Ehepaar in den rund 50 Jahren seiner Ehe zusammengetragen, Petzold hat sie fotografiert, per Computer katalogisiert, gut und fachgerecht verpackt - und die Erkenntnis gewonnen: "Vermutlich wird es auch bei diesem Zustand bleiben."

Ein Armbruch brachte dann noch eine kurze Zäsur, aber änderte nichts an der grundsätzlichen Frage, die das Ehepaar umtrieb: "Was passiert eigentlich mit unserer Sammlung, wenn wir nicht mehr da sind?" Tochter Bettina ist selbst Kunstsammlerin, hat in manchen Dingen einen anderen Geschmack als die Eltern und diesen auch deutlich gemacht, dass sie längst nicht alles erben möchte.

Dass sie mit diesem Problem nicht allein standen, merkten Helga und Wilhelm Petzold schnell: "Vielen anderen geht es ähnlich", sagt er, und so begann auf Gut Selikum, wo das Paar wohnt, das große Nachdenken über Möglichkeiten. Ein Verkauf über Galeristen kam nicht in Frage, ein Verkauf grundsätzlich aber schon. "Warum auf Wunsch nicht anonym und ganz direkt?" fragten sich die beiden und merkten schnell, dass es dafür kein Angebot gab. Auch nicht im Internet.

Das bot dann für Petzold, der einst die Vertriebsorganisation bei Nixdorf geleitet und später ein eigenes Beratungsunternehmen aufgebaut hatte, den Raum für die Idee, eine Plattform zu schaffen, über die Sammler, Künstler und Käufer ganz direkt zusammenkommen. "Artfriend meets Artfriends", kurz Ama-Art, war geboren. Rund ein Jahr habe es gedauert, sagt Petzold, bis ihnen ein Software-Entwickler in Wuppertal die Internetseite so gebaut hatte, dass alle rechtlichen Schwierigkeiten ausgeräumt werden konnten. "Wir werden ständig überprüft", betont Petzold, "sind inzwischen ein ,Trusted Shop' und haben auch schon erste Kunstwerke verkauft." Die Provenienz eines Kunstwerks kann nur teilweise geprüft werden: "Die letzte weiß nur der Verkäufer", sagt Petzold.

Alle Daten, angefangen vom Namen des Sammlers/Käufers bis zur Nummer des Bankkontos, sind Petzold bekannt: "Aber nur das Finanzamt kann sie haben", sagt er und lacht, für alle anderen bleiben sie anonym. Was ins Angebot kommt, liegt im Ermessen des Ehepaars Petzold. "Die Kunst muss eine gewisse Wertigkeit haben", sagt Wilhelm Petzold entschieden, und seine Frau Helga betrachtet vor allem für Künstler als Nutzer die Plattform "als tolle Möglichkeit, sich zu präsentieren". Ob Bildhauer wie Christof Hartmann oder ein multidisziplinärer Künstler wie David Fried - sie entdeckt ständig (wieder) neue, die es ihrer Meinung nach verdient haben, auf diese Art gefördert zu werden. Aber auch bekannte Künstler wie Anatol, Ulrike Arnold, Thomas Baumgärtel oder Hermann-Josef Kuhna, oder schon verstorbene wie Leonard Cohen, Wilhelm Küppers oder K.O. Götz gehören zum Portfolio.

Drei Werke haben sie bereits abgelehnt, erzählt Wilhelm Petzold: "Die gefielen uns nicht. Im Zweifel würden wir uns aber bei Fachleuten rückversichern", sagt er. Auch Tochter Bettina, die Mitgesellschafterin ist, redet von Fall zu Fall mit. So lebt die Idee derzeit auch vor allem von Künstlern und Sammlern aus dem Bekanntenkreis der Petzolds.

Kunst bleibt ein wesentlicher Faktor im Leben des Ehepaars, viel verdienen wird es mit der Idee nicht, rund 25 Prozent des erzielten Verkaufspreises geht an die Petzolds: "19 Prozent davon zahlen wir an Mehrwertsteuer", sagt er. Vier bis fünf Stunden investiert er täglich in die Pflege der Seite, vor allem ist sie in seinen Augen "eine wunderbare Möglichkeit, uns mit tollen Menschen zu umgeben". Helga Bittner

(NGZ)
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