Neuss Per Livestream die Welt retten

Neuss · Oliver Bienkowski ist Lichtkünstler und Aktivist. Sein Ziel: Die Welt besser zu verlassen, als er sie vorgefunden hat. Seine künstlerische Freiheit nutzt der Neusser, um die gemeinnützige Organisation Pixelhelper zu unterstützen.

 Die Idee von Oliver Bienkowski (li.): Menschen filmen via Smartphone die Umgebung und legen Crowdfunding-Ziele fest.

Die Idee von Oliver Bienkowski (li.): Menschen filmen via Smartphone die Umgebung und legen Crowdfunding-Ziele fest.

Foto: Kirschstein, Frank

Wo Licht ist, da ist auch Oliver Bienkowski. Okay, ganz stimmt das natürlich nicht. Aber wo Oliver Bienkowski ist, da ist viel Licht, in irgendeiner Form, in irgendeiner Farbe. Der Neusser ist Aktivist, Lichtkünstler, ein Malocher. Tag für Tag. Rund um die Uhr. Sein Ziel: Die Welt besser zu verlassen, als er sie vor 33 Jahren vorgefunden hat. Das ist nobel und ambitioniert. "Ein Privatleben habe ich eigentlich nicht", sagt Bienkowski, der oft nahe Berlin mit drei Gleichgesinnten in einem Bunker hinter einer Luftschutztür sitzt - allerdings nicht im Dunkeln, wie er betont - , um seine Projekte voranzutreiben. Und mit Projekten meint er nicht Aufträge seiner Werbeagentur "Caveman International", die er betreibt, "um seinen Kühlschrank aufzufüllen".

Projekte, das sind oft Licht-Karikaturen, die er mit einer 6000-Watt-Lichtkanone an Wände strahlt, "um auf Missstände aufmerksam zu machen". Riesige Projektionen prangten erst vor wenigen Tagen am Bundeskanzleramt und an der Botschaft Nordkoreas. Morgens durchforstet der Neusser den Nachrichtenstrom nach einem Thema, etwa bis 14 Uhr lässt er sich Zeit für eine Karikatur, abends strahlt er sie dann prominent auf eine Wand der Hauptstadt, "damit sie von vielen gesehen wird, "damit sie lange im Kopf bleibt".

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Foto: Pixelhelper

Bienkowski ist mit einem "Guerilla-Expeditions-Mobil" - einem umgebauten Land Rover - unterwegs. Gewaltige Lichtprojektoren auf dem Dach, versteht sich. "Mit der Kiste war ich schon im Senegal", sagt der Pendler zwischen den Welten, der aus dem Koffer lebt, oder aus dem Auto, oder aus dem Bunker. An die Fassade der Europäischen Zentralbank projizierte er den Schriftzug "Außer Betrieb", an der US-Botschaft in Berlin stand plötzlich "NSA in da House", an das Parlamentsgebäude in Paris strahlte er die Parole "Liberty, Fraternity, Polygamy". Eine Karikatur auf die Affäre von Frankreich-Präsident Francoise Hollande, die nach fünf Minuten mit einem zweistündigen Verhör des Künstlers endete. "Uns war klar, dass die Polizei nicht amüsiert sein würde, aber Karikaturen gehören eben zur künstlerischen Freiheit."

Seine künstlerische Freiheit nutzt Bienkowski nicht, um sich die Taschen vollzumachen. "Die sind so gut wie leer." Der Neusser sammelt Aufmerksamkeit und Spenden, um die gemeinnützige Organisation Pixelhelper zu unterstützen, die er 2011 gemeinsam mit 70 Helfern ins Leben gerufen hat. Die soll "möglichst die Spendenvergabe revolutionieren". Die innovative Idee dahinter: eine Kreuzung aus Livestream und Crowdfunding. Hilfsaktionen werden auf der Webseite Pixelhelper.tv übertragen. Menschen filmen ihre Umgebung und legen Crowdfunding-Ziele fest. Das geht mit einer Android-App der Pixelhelper (Name: Livestream Crowdfunding). "Entweder man hilft mit der Android-App vor Ort in armen Ländern, oder eben von zu Hause, indem man das Ziel durch eine Web-App finanziell unterstützt. 20 Prozent der Spende gehen an die Organisation, um die Betriebskosten zu decken", sagt Bienkowski. "Bisher würden allerdings noch zu wenige Leute die Videos schauen, es kommt kaum Geld zusammen.

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Foto: ""

Aber Geld verschlingen die Aktionen nun mal viel. 300.000 Euro versucht Bienkowski gerade beispielsweise zusammenzubekommen, um Flüchtlingen im Mittelmeer zu helfen. "Wir wollen ein Boot kaufen, aufs Meer hinausfahren und hilflose Menschen zwischen der Türkei und Griechenland via Drohnen aufspüren", sagt der 33-Jährige. Ein Boot im Hafen von Ostende (Belgien) hat er schon angezahlt, 78.000 Euro fehlen, um es zu kaufen. Eine Drohne koste um die 10.000 Euro. "Wir haben in der Hoffnung auf Großspender sogar schon Reedereien in Hamburg abgeklappert - ohne Erfolg", sagt Bienkowski, der nicht aufgeben will. Er ist ein Aktivist, ein Malocher - und sieht Licht am Ende des Tunnels. Viel Licht.

(NGZ)
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