Neuss Pierburgs Leitwerk

Neuss · Das neue Werk auf der Hafenmole I ist das Vorzeigewerk des Automobilzulieferers. Dort wird entwickelt, wie neue Produkte gefertigt werden. Der Umzug ist fast abgeschlossen.

Am ersten Tag ist es noch ziemlich einsam bei Pierburg auf der Hafenmole I. Es ist der 9. Mai 2014, und die allererste Produktionslinie fertigt an jenem Tag das erste Magnetventil im neuen Werk Niederrhein des Automobilzulieferers. Heute ist es kaum vorstellbar, dass die Hallen in dem Werk einmal leer waren. In der Montage fertigen Roboter und Menschen 125 000 Ventile für den Motoren-Bau am Tag. In der Gießerei wird Aluminium für Abgasrückführsysteme in Öfen geschmolzen, in Maschinen gegossen und in der mechanischen Bearbeitung fertig montiert.

Die momentan noch neueste Fabrik im Neusser Hafen hat Fahrt aufgenommen, während dazwischen noch immer Baustellen davon künden, dass die Zusammenlegung der Werke Neuss und Nettetal in der neuesten Fabrik im Neusser Hafen noch nicht zu 100 Prozent abgeschlossen ist. Mitte August werden die letzten Mitarbeiter Nettetal verlassen, die letzte Maschine wird im kommenden Jahr in Neuss aufgebaut werden. "Wir ziehen seit fast 14 Monaten um und produzieren ohne Unterbrechung. Das ist extrem gut gelaufen, aber es ist ein Kraftakt", sagt Werkleiter Jochen Luft.

Das Werk Niederrhein mit seinen demnächst rund 700 Mitarbeitern ist für den Automobilzulieferer Kolbenschmidt-Pierburg (KSPG) das wohl wichtigste. Der Jahresumsatz, der dort an den Maschinen erwirtschaftet wird, liegt 2014 bei rund 236 Millionen Euro - das sind knapp zehn Prozent des gesamten Umsatzes der Rheinmetall-Automobilsparte KSPG. Das Werk Niederrhein ist aber mehr als wichtiger Umsatzbringer. Es ist Pierburgs Leitwerk. "Wir konkurrieren mit dem Werk Niederrhein nicht mit Billiglohnländern, sondern wir spielen unsere Nähe zur Forschung und Entwicklung aus bei der Entwicklung neuer Produkte", sagt Jochen Luft. Die Abteilung für Forschung und Entwicklung der Sparte ist am alten Werksstandort in der Nordstadt verblieben. Dort wird erdacht, was als erstes im Niederrhein-Werk im Hafen gefertigt wird. Das ist zum Beispiel immer dann der Fall, wenn ein Autobauer ein neues Modell konstruiert. Etwa drei Jahre vor dem Marktstart beginnen die Ingenieure auf beiden Seiten gemeinsam mit der Entwicklung neuer Teile. Dem Neusser Werk kommt dann die wichtige Aufgabe zu, den Herstellungsprozess für das neue Produkt zu entwickeln. "Hier wird die erste Generation gefertigt. Wir entwickeln in den meisten Fällen einen automatisierten Produktionsprozess und übertragen ihn in den nächsten Produkt-Generationen auf unsere Schwester-Werke im Ausland", erklärt Luft. Auf diese Weise erfüllt das Niederrhein-Werk seine wichtige Aufgabe als Pierburg-Leitwerk. "Die Technologieführerschaft bleibt in Neuss", sagt Luft.

In weiten Teilen funktioniert die Fertigung bereits automatisiert. Je nach Stückzahlen kann die Herstellung von Ventilen aber auch in großen Teilen Handarbeit sein. Die Qualitätsprüfung der Stücke ist in die Produktion integriert. Kein Ventil verlässt das Werk ohne Check. Das ist für Automobilbauer, die die Teile in großer Stückzahl aus Kostengründen gleich in mehreren Modellen einsetzen, extrem wichtig. Ein Rückruf aufgrund von Materialfehlern wird sonst extrem teuer. Das Neusser Werk fällt in der Branche mit einer ziemlich guten, weil geringen, Fehlerquote auf. Im Schnitt fallen vier Teile von einer Million beim Kunden als fehlerhaft auf - ein Fehler wäre bereits eine falsche Beschriftung. Branchendurchschnitt sind 20 fehlerhafte Teile pro einer Million.

Rund 50 Millionen Euro hat der Bau auf der 65 000 Quadratmeter großen Fläche gekostet. Auf eine benachbarte etwa 18 000 Quadratmeter große Fläche an der Spitze der hafenmole I besitzt Pierburg eine Kaufoption bis zum Jahr 2020. Dort oder an den bestehenden Flächen wären Erweiterungen möglich. Die bräuchte Pierburg auch, um den Umsatz des Werks noch weiter zu steigern.

(NGZ)
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