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Neuss Politik in Siebenmeilenstiefeln

Neuss · Bertold Reinartz stand nur 14 Jahre auf der politischen Bühne. Er war Bürgermeister, Bundestagsabgeordneter und CDU-Chef. Morgen wird er 70 Jahre alt. Und wieder fordert er eine personelle Erneuerung für seine Partei.

 Das Bürgermeisterporträt von Bertold Reinartz, das von Stefan Kürten gemalt wurde, hängt im Ratssaal des Neusser Rathauses.

Das Bürgermeisterporträt von Bertold Reinartz, das von Stefan Kürten gemalt wurde, hängt im Ratssaal des Neusser Rathauses.

Foto: woi

Sein jugendlicher Charme machte ihn zum erfolgreichen Wahlkämpfer. Sein spitzbübisches Lächeln hat er sich auch als Fast-Privatier bis heute erhalten. Morgen wird Bertold Reinartz, der Grandseigneur der Neusser Politik, 70 Jahre alt. Erst 70? Verwundert mag sich mancher vergewissern, dass der Kopf des gesellschaftlichen und politischen Lebens in der Stadt der 1980er und 90er Jahre noch so jung ist. Ja, es gibt Politiker, die loslassen können. Reinartz gehört dazu. Politik bestimmte nur einen seiner Lebensabschnitte. Heftig ging es damals zu, aber eben auch nur für relativ kurze Zeit. Mit gerade einmal 53 Jahren zog er sich aus der Politik zurück. Da war er aber immerhin schon zwölf Jahre Bürgermeister gewesen und hatte acht Jahre im Deutschen Bundestag gesessen.

Als Siebzigjähriger sieht sich Bertold Reinartz wiederum an der Schwelle zu einem neuen Lebensabschnitt. Sein Notariat an der Inselstraße in Düsseldorf hat der promovierte Jurist übergeben. So ist es vorgeschrieben. Schluss nach 36 Notar-Jahren. Damals hatte alles in Neuss angefangen. Was plant er in der gewonnenen Zeit? Reisen will er mit Frau Dorothee und sich mehr um Kinder und Enkelkinder kümmern. Doch ein bisschen Juristerei darf es auch in Zukunft noch sein. Er wird als Anwalt arbeiten. Spezialgebiet: Internationales Steuerrecht. Wo sein Schreibtisch stehen wird, weiß er auch schon. Im KBHT-Büro von Wirtschaftsprüfer Michael Kalus im Hammfeld. Der freut sich über den prominenten Neuzugang mit hoher Kompetenz, wirtschaftlich komplexe Verfahren zu gestalten.

Im Gespräch mit Bertold Reinartz wird deutlich: Er hat offenbar seinen frühen Abschied aus der Politik nie bereut. Er, der Anfang 1998 den Weg für einen Bürgermeister Herbert Napp frei machte, zog damals ebenso konsequent einen Schlussstrich wie er 14 Jahre zuvor die politische Bühne betreten hatte.

Da drängte er in den Stadtrat. Doch er war nicht der Kandidat des CDU-Vorstandes. In der Aufstellungsversammlung setzte er sich dennoch durch. Mit inhaltlichen Überzeugungen, Eloquenz - und jugendlichem Charme. Reinartz, der sich bei den jungen Wilden um Siegfried Zellnig, Herbert Napp und Hans-Heinrich Große-Brockhoff einreihte, griff an. Er wollte Bürgermeister werden, er wollte von Heinz Günther Hüsch den CDU-Vorsitz und die Bundestagskandidatur. 1986 war Reinartz Parteivorsitzender, 1987 Bürgermeister, 1990 im Bundestag. Politik in Siebenmeilenstiefeln.

Die Neusser CDU muss sich personell erneuern. Sie benötigt eine neue inhaltliche Struktur. Diese Erkenntnisse ließen Bertold Reinartz einst in die Politik gehen. Heute sieht er seine Partei erneut an diesem Punkt angekommen. Sie müsse sich inhaltlich und personell erneuern. Michael Werhahn könne diesen Prozess befördern. Er sei politisch unbelastet, intellektuell überzeugend und durchsetzungsstark: "Die CDU-Vorderen haben unverzeihliche Fehler gemacht und die Wahlen verloren." Zeit für einen Neuanfang. In vielerlei Hinsicht. Es sei ein Unding, wenn die Volkspartei SPD heute keinen Beigeordneten im Neusser Rathaus mehr stelle. Zeit für eine politische Kultur, die sich wieder stärker am Bürgerwillen ausrichte.

Mit der Vollendung des 70. Lebensjahres tritt Bertold Reinartz noch einmal ins Blickfeld der Öffentlichkeit. Redner werden daran erinnern, dass er es war, der als Bürgermeister die vor dem Terror der Nationalsozialisten geflohenen Neusser Juden in die alte Heimat einlädt; die Aussöhnung mit ihnen und der eigenen Eltern-Nachkriegsgeneration sucht.

Bertold Reinartz, der Mann mit dem jugendlichen Charme, wusste immer, was er wollte. Daran denkt auch der, der sein bis heute spitzbübisches Lächeln entwaffnend sympathisch findet.

(-lue)
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