Neuss Pure Spannung bei Kafkas "Verwandlung"

Neuss · Mit seiner Inszenierung hat Markus Andrae das Premieren-Publikum in den Bann gezogen.

 Die düstere Atmosphäre von Kafkas Erzählung fängt Markus Andrae schon im Bühnenbild ein: Es ist komplett in Schwarz und Weiß gehalten.

Die düstere Atmosphäre von Kafkas Erzählung fängt Markus Andrae schon im Bühnenbild ein: Es ist komplett in Schwarz und Weiß gehalten.

Foto: TaS

In einem Ranking der berühmtesten ersten Sätze deutschsprachiger Literatur würde "Die Verwandlung" von Franz Kafka sicher einen der vordersten Plätze belegen ("Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen,..."). Markus Andrea hat die Geschichte des Handelsreisenden, der sich in einen Käfer verwandelt auf die Bühne des Theaters am Schlachthof gebracht - in einer spannenden Inszenierung, die das Premieren-Publikum völlig in ihren Bann zog.

Die düstere Atmosphäre von Kafkas Erzählung fing Andrae schon im Bühnenbild ein: Komplett in Schwarz und Weiß gehalten, zeigt die Kulisse wenig Lebensfreude. Die wird es wohl auch nicht gegeben haben, in jener Familie Samsa, die nach der Pleite des väterlichen Betriebes in finanzieller Not ist. Der junge Gregor ernährt Eltern und Schwester mit dem Geld, das er als Handelsreisender für ein Tuchunternehmen verdient - bis er sich eines Morgens als ungeheures Ungeziefer in seinem Bett findet.

Aber wie bringt man einen Stoff-Vertreter, der zum fiesen Insekt mutiert auf die Bühne? Regisseur Markus Andrea verzichtete auf Kostüm oder Maske. Er ließ Schauspieler Lars Evers pur auftreten, in seinen Bewegungen zum Käfer werden und dabei akrobatische Leistungen wie An-der-Decke-Hängen oder Kopfstand vollbringen.

Eine zusätzliche kluge Lösung war die Zimmerwände andeutende schwarze Gaze, die den zuweilen zusammengerollten Menschen als Käfergestalt durchscheinen ließ. Von Vater (Cornelius Kabus) und Mutter (Christina Woike) weitestgehend ignoriert und von Schwester Grete (Barbara Wegener) zunehmend notdürftig versorgt, siecht Gregor dahin. Die Familie richtet sich unterdessen in einem Leben ohne ihn ein.

Der Alltag im kleinbürgerlichen Familienmilieu vollzieht sich in der Inszenierung von Markus Andrea fast vollständig ohne Worte. Nur durch Gesten und Mimik, untermalt von Gregors röchelndem Atem, seinen knackenden Fressgeräuschen und einem monotonen Klavierspiel, entwickelt sich die Geschichte weiter. Bis Schwester Grete schließlich sagt: "Wir müssen es loszuwerden suchen" und damit ihren Bruder meint. Einst wollte er seiner Schwester das Musik-Konservatorium bezahlen. Nun ist er für sie nur noch ein widerliches Tier.

"Wenn es Gregor wäre, er hätte längst eingesehen, dass ein Zusammenleben von Menschen mit einem solchen Tier nicht möglich ist, und wäre freiwillig fortgegangen", erklärt sie ihren Eltern. Am nächsten Morgen ist Gregor tot.

(NGZ)
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