Bürger-Schützenfest Radiesen gehen heute aufs Haus

Bürger-Schützenfest · Zum Schützenfest-Ausklang rücken heute Abend die Züge wieder in ihre Wachlokale ein. Zur Manöverkritik gehört das traditionelle Radiesenessen: Rettich mit Leberwurst. Das Besondere: Das Essen spendieren die Wirte.

Der Tag danach. Der Feiermarathon ist vorüber. Gert van Opbergen, der Schützenkönig von 1966/67, litt am Kirmes-Mittwoch darunter, dass "ich die Musik noch im Ohr habe, aber nicht mehr marschieren darf". Erst am Abend zeigen sich die Schützen wieder, wenn der Tag seine schönste Seite bereithält: das Radiesenessen.

Lokale füllen sich gegen Abend

Zum Ausklang treffen sich heute die Züge in ihren Wachlokalen. Noch einmal erschallen die Trinksprüche, noch einmal erklingen die Schützenlieder: So lang ne Knop an de Box noch hält... Zwischen 17 und 18 Uhr füllen sich die Lokale. Manöverkritik steht auf dem Programm, Erinnerungslücken werden geschlossen. Der Spieß verteilt seine Strafen. Wer die höchste Summe zahlen muss, hat schon seinen ersten Titel weg: Zugsau für das Schützenjahr 2010/11. Womit bewiesen wäre: Noh de Dag ist eben auch immer vör de Dag.

Im Mittelpunkt steht jedoch das Radiesenessen. Mit dem bedankt sich der (Schützen-)Wirt bei seinen Stammzügen und -gästen für die Treue übers Jahr. Im Klartext: Das Essen geht aufs Haus.

Stolze 17 Züge haben den Drusushof zu ihrem Domizil gemacht. Zirka 400 Portionen muss die sechsköpfige Küchenmannschaft bis 17 Uhr fertig haben: 100 Kilogramm Rettich und 80 Kilogramm Leberwurst werden dann verarbeitet sein. "Die Bestellungen werden weit vor Schützenfest gemacht", sagt Walter Theisen (58), der seit 1992 den Drusushof führt, "Neusser Metzger und Gemüsehändler sind auf das Radiesenessen eingestellt." Dazu wird gebuttertes Schwarzbrot gereicht. Auch im Vogthaus am Münsterplatz findet das Radiesenessen statt. Für 480 Portionen hat Wirt Michael Mylord gesorgt — und will damit die "schöne Tradition unterstützen".

Walter Theisen ist gelernter Koch. Das Radiesenessen ist für ihn eher eine logistische denn eine küchentechnische Herausforderung: "Wenn wir gute Ware haben, kann nicht viel schiefgehen." Aber 400 Teller müssen hergerichtet, gelagert und serviert werden — und das in kurzer Zeit. Vier Stunden dauert der Spuk. Dann kehrt wieder Ruhe ein. Gegen 22 Uhr ist das Lokal meist wieder leer. Reserve hat Ruh.

Als Theisen vor 18 Jahren nach Neuss kam, wurde er von dieser Tradition überrascht. Er ist ein Kind der Eifel, war lange als Gastronom in Bayern tätig. Rettich war ihm als Beilage geläufig. Er wusste nicht, dass er auch zu einem Gericht mit niederrheinischer Schützentradition gehört. Auf Rettich schwörten schon die Römer. Das hat Theisen nachgelesen. Er vermutet, dass nach den "fetten Festtagen" ein leichtes Essen helfen soll, den Schützenkörper auf den Alltagsrhythmus zu trimmen. "Vitamine B und C sind geeignet", weiß Theisen.

Dass er 400 Portionen kostenlos servieren muss, akzeptiert der Wirt aus Leidenschaft: "Meine Gäste, meine Schützen, meine Züge identifizieren sich mit dem Drusushof. Wir sind ein ganzes Jahr zusammen. Am Mittwoch nach Schützenfest brauche ich keine Speisekarte. Es gibt nur Radiesen, aber die für alle — und die gehen auf mich."

(NGZ)
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