Neuss Raumgreifende Malerei in der Alten Post

Neuss · Mit "Horror vacui" geht das Künstlerduo "deckkraft" neue Wege. Für seine Ausstellung in der Alten Post hat es aus großformatigen, auf jedem Zentimeter bemalten Leinwänden einen eigenen Raum im Foyer installiert.

 Walter Eul (l.) und Marc von Criegern sind "deckkraft" und haben für die Alte Post eine Bildinstallation komponiert.

Walter Eul (l.) und Marc von Criegern sind "deckkraft" und haben für die Alte Post eine Bildinstallation komponiert.

Foto: woi

Soll man sich wirklich reintrauen? In diesen hohen, eckigen Tunnel, der so abknickt, dass auf den ersten Blick gar nicht zu sehen ist, was dann kommt? Dunkel ist's, aber am Ende funzelt eine kleine Lampe von der Decke - und beleuchtet Malerei auf jedem Zentimeter dieses Raums. An den Wänden, an der Decke: nirgendwo ein Fleckchen, das nicht mit Farbe oder gar einer Form bedeckt ist.

"deckkraft" nennt sich das Duo, das Kurator Klaus Richter zum Auftakt der neuen Saison in die Alte Post eingeladen hat, und das für seine großformatigen Arbeiten längst über die Grenzen seines Ateliersitzes Düsseldorf hinaus bekannt ist. Aber für Neuss sind Walter Eul und Marc von Criegern noch einen Schritt weitergegangen. Sie haben einen Raum aus Gemälden ins Foyer der Alten Post gebaut. Die Leinwände sind die Wände - außen gehalten von Keilrahmen und Zwingen, innen auf jedem Fleck bemalt. Oder bedruckt. Oder besprüht.

Eul und von Criegern kommen ganz klassisch aus der Malerei. Beide sind Meisterschüler von Fritz Schwegler an der Kunstakademie, kennen sich seit 1990, jeder hat zunächst als Solist gearbeitet, und erst vor etwa vier Jahren haben sie entdeckt, dass sie gleichzeitig an einem Bild arbeiten können. "Aus Spaß", sagt Eul, haben sie das ausprobiert und dann gleich eine ganze Woche drangehängt. "Nach drei Tagen waren wir schon fertig", erzählt von Criegern und erinnert sich gern an die "große Energie", die sie von Beginn an in der gemeinsamen Arbeit gespürt hätten. "deckkraft" war geboren. Die beiden Künstler sehen ihre Werke so sehr als Ergebnis ausschließlich gemeinsamer Arbeit, dass sie es am liebsten haben, wenn ihre Eigennamen dahinter verschwinden.

Und tatsächlich erkennt man in dieser "Horror vacui" (die Angst vor leerem Raum) betitelten Ausstellung nicht, wer was gemalt hat. Die menschlichen Figuren - ja, die zeichneten von Criegerns frühere Bilder schon aus. Und ja, Walter Euls modulare Malerei ist ebenfalls erkennbar. Aber beider Handschriften fügen sich zu einem geschlossenen Bild, in dem der Betrachter von einer Entdeckung zur nächsten taumelt. Da gibt es figurative Elemente, die sich wiederholen und irgendwie an schon mal Gesehenes erinnern, an anderer Stelle macht eine gewaltige farbgeprägte Form sprachlos. "Überwältigungsmalerei" sagt Klaus Richter dazu. Recht hat er.

Die beiden Künstler von "deckkraft" gehen in jeder Hinsicht über Grenzen, lassen die der Technik hinter sich, in dem sie sich auch der Sprühdose oder des Linoldrucks bedienen. Und sie arbeiten in einer Form zusammen, die so gar nicht zum klassischen Künstlerbild passt. Beide malen gleichzeitig (und übermalen den anderen), fangen informell an, verdichten - "und dann kommt die Komposition", sagt Eul. Es gibt Diskussionen, aber keinen Streit, sagen die beiden. "Die Idee wächst im Laufe des Arbeitsprozesses", erklärt Eul, und von Criegern ergänzt: "Der Austausch findet auf der malerischen Ebene statt." Und wenn ein Bild sowohl düster wie auch fröhlich zu werden scheint, wird gemeinsam über die Richtung entschieden. So wie auch über das Ende des Prozesses - wenn das Bild fertig ist.

Das gilt auch für das 3,50 x 9 Meter große Gemälde, das in der Alten Post auf der oberen Etage ausgestellt ist. Der "Guck-Effekt" ist auch dort verblüffend: Man schaut von der Galerie auf das Bild im Flur.

(hbm)
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