Neuss Reiseführer für Bomberpiloten im Zweiten Weltkrieg

Neuss · Der Neusser Wissenschaftler Uwe Pöhls hat im Londoner Nationalarchiv den "Bomber's Baedeker" gefunden. Darin wurde den britischen Piloten im Zweiten Weltkrieg der Weg zu Zielen in Neuss gewiesen.

 Uwe Pöhls mit den

Uwe Pöhls mit den

Foto: Woi

Es war ein Zufall, der Uwe Pöhls auf diesen Reiseführer der besonderen Art stoßen ließ: der "Bomber's Baedeker", der britischen Kampfpiloten der Royal Airforce im Zweiten Weltkrieg die wichtigsten Bomben-Ziele in Deutschland nannte. Dreieinviertel Seiten sind darin der Stadt Neuss gewidmet.

Der Neusser Wissenschaftler, der eigentlich auf Energiefragen spezialisiert ist, hatte vor zehn Jahren im Internet eine Ausstellung zum Thema "NRW 2000" konzipiert. "Im Rahmen der Recherchen bin ich durch Literaturhinweise auf den ,Bomber's Baedeker' gestoßen." Als eine Mitarbeiterin zu einem Studienaufenthalt in London weilte, beauftragte er sie, im dortigen Nationalarchiv zu suchen. Mit Erfolg: Sie fand diesen speziellen "Reiseführer", den es in zwei Bänden gibt.

In fünf Kategorien wurde darin vom britischen Kriegsministerium eine Rangfolge nach Prioritäten aufgestellt: Angefangen von "1+" für Unternehmen, die für die "deutschen Kriegsanstrengungen außerordentlich wichtig" waren, bis hin zur Klassifikation "(-)" für Fabriken, die nicht so wichtig waren und wo die Informationslage nicht rechtfertigte, ihnen einen Vorrang beim Bombardement einzuräumen. Die höchste Einstufung eines Neusser Ziels mit einer "2" ("große Firma in einer weniger bedeutenden Industrie") erhielt in der zweiten Auflage des "Bomber's Baedeker" von 1944 die "International Harvester Co.". Darüber hinaus finden sich unter "3" ("geringere Bedeutung für die deutsche Kriegsmaschinerie") Einrichtungen wie die Eisenbahnverbindungen, der Hafen, die städtischen Gas- und Elektrizitätswerke an der Rheintorstraße, die Nationale Radiator GmbH, Bauer & Schaurte, die Chemische Fabrik Dr. Kurt Albert GmbH und andere Fabriken.

Der "Baedeker" verriet den Piloten die genauen Koordinaten der Stadt, die Art der Produktion und meist, wie viele Arbeiter in den Firmen beschäftigt waren. Auch Grevenbroich war mit dem Kraftwerk und dem Erftwerk (Kategorie "2") in dem Band berücksichtigt. Die Festschrift zum 100-jährigen Bestehen der Freiwilligen Feuerwewehr Neuss belegt die Bomben-Treffer im Zweiten Weltkrieg.

So wurden bei Großangriffen 1944 zum Beispiel Bauer & Schaurte am 5. Januar, die Chemie-Fabrik Kurt Walter am 23./24. April und die Nationalen Radiatoren-Werke am 23. September getroffen. Für Pöhls, der zum heutigen Jahrestag — 65 Jahre Kriegsende — die Unterlagen noch einmal hervorholte, sind die Bände "nicht so böse, wie zuerst gedacht".

Inzwischen weiß er, dass sie eine Antwort der Briten auf den "Baedeker-Reiseführer" der deutschen Wehrmacht waren. Die hatte vornehmlich in den ersten Monaten 1942 Ziele in England bombardiert, die im Baedeker als Sehenswürdigkeiten drei Sterne und mehr erhalten hatten. Genannt wurden sie "Baedeker raits" (Reiseführer-Überfälle).

(NGZ)
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