Neuss Römische Machtfrage noch heute aktuell

Neuss · Die ungarische Theatergruppe "HOPPart" führte auf dem Shakespeare-Festival ihre Version der Tragödie "Coriolanus" auf. Das Publikum amüsierte sich gut, obwohl das Stück auf Ungarisch - aber mit Obertiteln - vorgetragen wurde.

 Das Stück spielt im fünften Jahrhundert vor Christus. Hauptperson ist der römische General Caius Marcius. Dennoch will der Regisseur Bezüge zur heutigen politischen Situation in Ungarn herstellen. Es geht darum, welche Schicht an die Macht darf.

Das Stück spielt im fünften Jahrhundert vor Christus. Hauptperson ist der römische General Caius Marcius. Dennoch will der Regisseur Bezüge zur heutigen politischen Situation in Ungarn herstellen. Es geht darum, welche Schicht an die Macht darf.

Foto: Christopher Krey

Es tropft aus dem Dach. Ein Eimer steht mitten auf der Bühne und fängt das Wasser auf. Ob es sich um ein Theatermittel handelt, das die bröckelnde Macht der Obrigkeit symbolisiert, oder um ein Loch im Dach des Globe, durch das der Platzregen gelangt, bleibt unklar. Fest steht, dass die Macht der oberen Schicht in Gefahr ist. Das ist die Ausgangslage der Römertragödie "Korijoánusz" (nach Shakespeares "Coriolanus"), die die aus Ungarn stammende freie Theatergruppe "HOPPart" auf dem Shakespeare-Festival aufführte - in ihrer Landessprache.

Fast alle Zuschauer sind schon zur Einführung in der Wetthalle versammelt. Dort erläutert Vanessa Schormann, Leiterin des Shakespeare-Globe-Zentrums Deutschland, die Hintergründe des Shakespeare-Stücks aus dem Jahr 1607. Im anschließenden Interview mit Regisseur Csaba Polgár wird deutlich: Mit seiner Inszenierung des Stückes, das ursprünglich im fünften Jahrhundert vor Christus in Rom spielt, will er Bezüge zur heutigen politischen Situation in Ungarn herstellen. "Im Prinzip geht es um die Frage: Wer sollte die Macht haben, wer hat sie tatsächlich und was passiert, wenn jeder sie haben will?"

An der Machtfrage entspinnt sich auch das Stück: Die Plebejer empören sich, weil die Patrizier Getreide horten, während das Volk hungert. Gemein ist allen allein die durchweg sozialistisch anmutende Kleidung. Auch der Röhrenfernseher, mit dem das Volk die neuesten Nachrichten verfolgt, scheint aus Sowjetzeiten zu sein. Das amüsante und stimmige Spiel des Ensembles entschädigt die Zuschauer für die etwas mühselige Herausforderung, zeitgleich die Obertitel zu lesen und das Bühnengeschehen zu verfolgen. Auch die hochklassigen Gesangseinlagen, die von Bach bis Cat Stevens reichen, begeistern das Publikum.

"Wir wollen Brot! Und Oliven! Und eine funktionierende Gasleitung!", skandieren die Hungernden, deren Zorn sich vor allem gegen den römischen General Caius Marcius richtet. Zu seinem Glück muss sich Marcius allerdings nicht lange mit den lästigen Forderungen des Volks beschäftigen. Die Nachricht, dass sich eine volskische Armee zum Kriegszug gegen Rom versammelt, ist seine Chance, sich als Kriegsheld zu beweisen und das Volk durch Ruhmestaten zu besänftigen.

Eine erlösende Nachricht auch für seine Übermutter Volumnia, die nichts mehr ersehnt, als sich im Ruhm ihres Sohnes zu sonnen. Dazu hat die Matriarchin, vollblütig gespielt von Nóra Diána Takács, bald Gelegenheit. Marcius ist siegreich, erhält den ehrenvollen Beinamen "Coriolanus" und ist kurz davor, zum Konsul Roms ernannt zu werden. Im selbstherrlichen Freudentaumel über die Gewissheit künftigen Glanz und Glorias vollführt Volumnia eine hinreißend exzessive Version von "The winner takes it all" - mit hemmungslosem Räkeln auf dem Boden. Doch der Taumel hält nicht lange.

Zwar ist sich der Plebs uneins, ob die Heldenhaftigkeit des Coriolanus ihn zum Konsul befähigt. "Sieh mal, immerhin hat er uns die verfluchten Slowaken, äh, Volsker vom Hals gehalten." Aber letztlich ist der General so unfähig wie unwillig, die Herzen des Volkes zu gewinnen. Auch die Ratschläge seiner machtversessenen Mutter helfen nicht. Sich beim Volk anzubiedern, ist unter seiner Würde. Er verlangt die bedingungslose Unterwerfung und zahlt dafür am Ende mit seinem Leben.

Einstimmig und langanhaltend applaudieren die Zuschauer am Ende dieser gelungenen, hintersinnigen Inszenierung.

(suzo)
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