Neuss Schenkelklopfer, maßgeschneidert

Neuss · Seit Jahrzehnten feilt der Kabarettist Konrad Beikircher an seinen Pointen. Vor seinem Neusser Publikum beweist er sein humoristisches Geschick und spielt gekonnt auf der Klaviatur regionaler Rivalitäten. Privat zeigt er ein anderes Gesicht.

Fünf Sekunden gibt Konrad Beikircher seinem Publikum, um zu lachen. Die kurze Zeitspanne überbrückt der 71-Jährige auf seinen Fersen wippend, die Hände vor dem Bauch gefaltet. Er grinst ins Publikum. Fünf Sekunden - das ist gerade lang genug, um das folgende Bonmot nicht im Lärm der klatschenden Hände und gackernden Kehlen untergehen zu lassen. Die Zeit ist aber auch nicht zu lang - das würde den atemlosen Takt seines Kabarettauftritts im Rheinischen Landestheater bremsen. Beikircher ist ein Vollprofi im Unterhaltungeschäft. Der studierte Psychologe weiß genau, wann welche Pointe zündet. Und er weiß, vor welchem Publikum er sich welche Scherze erlauben kann.

Die Statue des heiligen Quirinus von Neuss etwa hat laut Beikircher eine Besonderheit gegenüber denen der anderen Heiligen: Während man jene üblicherweise nach Osten schauend aufgestellt habe, sei das bei der Quirinusstatue nicht der Fall. Nur zu verständlich - nach Düsseldorf will in Neuss keiner schauen. Fünf Sekunden Beifall. Düsseldorf, Polen, Japan - alles rechtsrheinisch heute Abend auf der Bühne. Ob er diese Witze wohl genauso in Düsseldorf reißt?

In seinem knapp dreistündigen Programm "Bin völlig meiner Meinung", das er seit vergangenem Jahr präsentiert und in der Kabarett-Reihe "neuss 20.30" zeigt, spielt der Unterhalter augenzwinkernd, in typischer Beikircher-Manier mit regionalen Rivalitäten. Je später der Abend, desto lautstarker feiern die 450 Gäste im Rheinischen Landestheater seine Pointen. Einige haben zu Beginn von ihm geschriebene Bücher in die Taschen gepackt, die sie auf der Fahrt zum Kabarettabend gelesen hatten.

Den rheinländischen Dialekt beherrscht Mann mit dem grauen Bart mühelos. "Eine wunderbare Besonderheit der rheinländischen Grammatik", erklärt er dem Publikum, "ist die Absichtserklärung in der Vergangenheit." So steht der Hausmeister in seinem Programm unerlaubterweise im Büro des Bankdirektors, hat aber alle Argumente auf seiner Seite, sobald er sagt: "Anfürsich wollt ich gar nich gekommen sein". Perfekt! Eine Entschuldigung ist damit nicht mehr erforderlich.

"Im Rheinland haben wir die größte Reliquiendichte in Europa", verkündet Beikircher nach der Pause. Einen großen Teil seines Programms widmet er den unzähligen Vorteilen des "normalen" Glaubens gegenüber dem protestantischen. Der offensichtlichste sei, dass Normalgläubige länger lebten als die geplagten Protestanten. Einmal wöchentlich beichten - und der Pfarrer entsorgt all den seelischen Sondermüll, der sich angesammelt hat. Das kann nur jung halten.

Die Bühnenfigur Beikircher ist nun am Ende ihres Programms angekommen und verabschiedet sich mit einer - freilich eingeplanten - Zugabe von den Neussern. Zwei Tage später wird ein Hertener Publikum sein Programm sehen. Dort lästert man über andere Nachbarn, und auch ihnen wird der Kabarettprofi ein maßgeschneidertes Programm zum Lachen liefern.

Bis dahin hat der private Konrad Beikircher Zeit, sich zu Hause mit seiner Frau, der Künstlerin Anne Beikircher-Siering, bei Bad Godesberg zu erholen. Ursprünglich kommt er aus Südtirol. Doch vor Jahrzehnten schon hat der Kabarettist und Musiker im Rheinland Wurzeln geschlagen. Die Fülle seiner Aktivitäten deutet auf einen mitteilsamen Menschen hin, der sich in vielen Genres zu Hause fühlt. Oder ist es eher sein rastloses Gemüt, das ihn antreibt? Da widerspricht er im Gespräch mit der Zeitung: "Ich bin ein Meister des absoluten Nichtstuns." Er erzählt, wie das geht. "Ich kann stundenlang am Meer sitzen und vor mich hingucken. Oder auf einem Platz wortlos die Leute beobachten, wie im Theater. Für meine Frau ist das manchmal unbegreiflich. Ich lache dann und erinnere sie an das mürrische Ehepaar in dem klassischen Sketch von Loriot: Er will einfach nur still herumhocken, was sie nicht erträgt." Doch während er sich scheinbar planlos treiben lasse, sei sein Unterbewusstsein hellwach, das stellt Konrad Beikircher zufrieden fest: "Ich überdenke dabei mein gesamtes Leben und bekomme neue Inspiration."

Er hadere kein bisschen mit seinem Alter, beteuert Beikircher, der fünf erwachsene Kinder hat. "Es geht mir wunderbar. Natürlich weiß ich, dass ich auf der Zielgeraden bin aber auf den letzten Metern habe ich noch viel vor", kündigt er an. "Wenn man fest daran glaubt, eine Zukunft zu haben, ist das Zurückschauen herrlich."

(NGZ)
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