Neuss Shakespeare auf Französisch

Neuss · Regisseur Pascal Faber und die "Compagnie 13" zeigen Shakespeares "Kaufmann von Venedig" - und überzeugen im Globe.

 Die "Compagnie 13" rückt die Figur des Juden Shylock - gespielt von Michel Papineschi - ins Zentrum der Inszenierung.

Die "Compagnie 13" rückt die Figur des Juden Shylock - gespielt von Michel Papineschi - ins Zentrum der Inszenierung.

Foto: Christoph Krey

Glockenklang ertönt über der Rialtobrücke in Venedig. Das Kirchgeläut gilt nicht dem Mann, der dort einsam verharrt. Es ist der Jude Shylock, ein allseits verhasster Zinswucherer, dessen Vorfahren Jesus ans Kreuz genagelt haben - ein ungeladener Störenfried in der so christlichen "Serenissima". Prompt nimmt sich die Jeunesse Dorée den Juden vor. Man beschimpft und verspottet ihn, spuckt ihn sogar an. Der Schauspieler Michel Papineschi reagiert im Neusser Globe nur mit einem leichten Zucken. In der französischen Inszenierung "Le Marchand de Venise" ("Der Kaufmann von Venedig") ist er der Dreh- und Angelpunkt des Geschehens. Sein Schicksal, im Glockenklang leben zu müssen und am Ende durch eine Zwangstaufe seiner Identität beraubt zu werden, macht diesen Theaterabend zu einem nachwirkenden Erlebnis.

Unter den Dramen Shakespeare firmiert der "Kaufmann von Venedig" als Komödie. Tatsächlich sind die Handlungen, die er in diesem Werk zusammenführt, von heterogener Art und enthalten unterschiedliches dramatisches Potenzial. Da ist die Geschichte von der Brautlotterie, vom Grundtyp her ein Märchen. Und der Darlehensstreit um 3000 Dukaten mit Verpfändung des eigenen Fleischs wäre auch als Schwank ein guter Plot.

Was die Inszenierung der "Compagnie 13" und ihren Regisseur Pascal Faber auszeichnet, ist einerseits eine intelligent gekürzte Textversion des Dramas. Gleichzeitig aber vor allem die Zentrierung auf die tragische Figur des Juden Shylock. Die Unterhaltung kommt dabei nicht zu kurz. Der spannende Handlungsablauf überzeugt durch eine raffinerte Lichtregie und vorzügliche Darsteller. Hier können die vielen Ebenen des Globe und seine gewollte Kargheit ihr Potenzial entfalten. Spot aus, Spot an, kunstvolle Miniszenen treiben die verschiedenen Erzählstränge voran.

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Portia, die Herrin von Schloß Belmont im venezianischen Hinterland, lässt zusammen mit ihrer Zofe die Brautwerber-Puppen tanzen. Wer nicht genehm ist, dem gibt man einfach die falschen Tipps bei der Auswahl der drei Kästchen. Genauso deutlich, wie man den gewollten Bewerber auf die richtige Fährte stößt. Die Auftritte der Prinzen von Marokko (Typ hölzerner Macho) und Aragon (Typ humorloser Schelm) kommen rüber als eigene Glanznummern. Sprachliche Feinheiten des Shakespeare-Texts werden durch drastische Sprüche ersetzt: das Wortspiel mit dem Verb "to lie" (lügen oder liegen) hat hier nur noch eine Bedeutung: "Beischlaf".

Bei allem komödiantischen Spiel bleibt die Handlung um Shylock im Zentrum des Geschehens. Mit seiner kräftigen, gedrungen wirkenden Statur könnte Michel Papineschi auch als Transportarbeiter auf dem Canale Grande durchgehen. Sein Jude Shylock ist indes der Geldverleiher, den die ständigen Demütigungen der feinen christlichen Kaufleute dünnhäutig gemacht haben. Konsequent verfolgt er seinen Racheplan. Die Einlösung des Pfandscheins mit einem Pfund venezianischen Fleischs soll zudem ein Trost sein für den Verlust der mit einem Christen durchgebrannten Tochter. Konzentriert schärft er im Gerichtssaal sein Messer für die blutige Tat. Als dann das Gericht ihn selbst verurteilt, steht er wieder einsam auf der Rialtobrücke, jetzt ein Christ wider Willen. Immerhin ersetzt nun ein jüdisches Lied den Glockenklang.

(NGZ)
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