Neuss Sirenen: Kluth erinnert an "Piffje" und seine Trompete

Neuss · Auf Neusser Dächern sollen wieder Sirenen montiert werden, weil die Stadt ein flächendeckendes und alle Menschen erreichendes Warnsystem für notwendig hält. In Weckhoven wurde früher diese Notwendigkeit lange nicht gesehen, erinnert sich Dorfchronist Martin Kluth. Denn Weckhoven war musikalisch. Er schreibt:

"Wir schreiben das Jahr 1940. Der Weltkrieg war im vollen Gange. Am 12. Mai registrierte man den ersten feindlichen Fliegeralarm. Die Schulkinder hatten keinen Unterricht, da weder Bunker noch Luftschutzkeller vorhanden waren. Das kam so: Im Jahre 1929 wurde Weckhoven nach Neuss eingemeindet. Aber Weckhoven lag jenseits der Erft und damit für die Neusser Ratsherren in unbekanntem Land. Keine Lobby für Weckhoven und das ging bis in 1950er Jahre! Aus dem gleichen Grund hatte Weckhoven auch keine Sirene, um Fliegeralarm an zu zeigen. Die Herren in Neuss hatten wohl dieses große Problem erkannt, denn sie suchten nach einer Lösung. Hauptlehrer Müller und Pfarrer Josef Klapproth wurden eingeschaltet. Man steckte die Köpfe zusammen und fand "die Lösung". Lehrer Müller hatte drei Söhne, Hermann, der Jüngste, war sehr musikalisch, er wurde auch Musikdirektor! Der Junge spielte mehrere Instrumente, darunter auch Trompete. So kam man auf die Idee, dass Hermann die Weckhovener Bevölkerung mit einem Warnsignal aus seiner Trompete alarmieren soll.

Das geschah so: Das Amt für Luftschutz in Neuss rief Hauptlehrer Müller an, wenn feindliche Flieger im Anflug auf Neuss waren. Dann jagte Hauptlehrer Müller seinen Sohn Hermann, genannt "Piffje", aus dem Bett. Piffje schnappte sich dann seine Trompete, schwang sich aufs Fahrrad, fuhr durch die Straßen von Weckhoven - das waren acht an der Zahl - und blies Alarm! Alles schreckte auf und brachte sich im Keller in Sicherheit. Dort wartete man ab. Es hieß: "Eh Jlöck dat mer Piffje hant!" ("Ein Glück, dass wir Piffje haben").

Drehten die feindlichen Flieger wieder ab, riefen die "Neusser" bei Hauptlehrer Müller an und gaben Entwarnung. Hauptlehrer Müller schickte dann wieder seinen Sohn Hermann durchs Dorf Weckhoven, diesmal mit einem anderen Signal."

Mitte 1942 , so erinnert sich Kluth, bekamen dann auch die Weckhoven - auf dem Schulgebäude - eine Sirene montiert. Und Hermann Müller, "et Piffje"? Kluth: "Der kam zum Militär." In der Heimat wurde sein Signaldienst ja nicht mehr benötigt.

(NGZ)
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