Neuss Skandalfotos: Sanitäter erhalten Ethik-Schulung

Neuss · Die Stadt hält an den Johannitern als Partner bei Rettungsdienst fest und spricht von Einzelfällen. Doch die Bilder, die im Internet kursieren, weisen auf ein großes Problem: Den Umgang mit sozialen Netzwerken.

 Joachim Kürsten, Regionalvorstand des Johanniter-Verbandes Niederrhein, ist erschüttert über die Fotos.

Joachim Kürsten, Regionalvorstand des Johanniter-Verbandes Niederrhein, ist erschüttert über die Fotos.

Foto: Andreas Woitschützke

Auf der Rettungswache Neuss-Mitte der Johanniter Unfallhilfe an der Hellersbergstraße herrschte gestern gedrückte Stimmung. Wer konnte, mied die Öffentlichkeit. Denn die Nachricht, dass drei gestandene Sanitäter dieses Verbandes teils schwer kranke Patienten auf den Wagen in pietätloser Weise fotografiert und die Bilder im Internet verbreitet haben, hatte draußen die Runde gemacht. Die drei Männer wurden fristlos entlassen, Strafanzeige erstellt, die Staatsanwaltschaft ermittelt — aber ihre Kollegen bekommen die Prügel.

"Wir können nicht verstehen, wie man so etwas machen kann", sagt Joachim Kürsten, Regionalvorstand der Johanniter am Niederrhein. Die Kümmern sich seit mehr als 50 Jahren kreisweit um Kranke und Verletzte, genauso lange sind sie Partner der Stadt beim Rettungs- und Krankentransport im Neusser Stadtgebiet. "Vergleichbares ist noch nicht vorgekommen. Wir sind alle erschüttert," sagt Kürsten.

Vor zwei Wochen weihten die Johanniter die Stadt als Träger des Rettungsdienstes ein. Die hat keinen Zweifel, dass es sich bei den skandalösen Vorfällen um die Taten Einzelner handelt. "Wir haben keinen Anhaltspunkt, dass da an anderer Stelle versagt wurde", sagt der Ordnungsdezernent Stefan Hahn, der klarstellt: "Wir als Stadt haben Vertrauen zu allen Hilfsorganisationen." Aber der Vorfall hat auch ihn geschockt: "Wir haben scheinbar ein ethisches und Werteproblem", sagt er. Diese Fragen sollen nun Unterrichtsgegenstand in Weiterbildungskursen auch für DRK und Malteser werden, die die Wachen Nord beziehungsweise Süd im Stadtgebiet betreiben. Und bei diesen Schulungen werde es auch um den Umgang mit sozialen Netzwerken im Internet gehen müssen.

Fotos und Filme, die im Einsatz gemacht und anschließend in Internetforen hochgeladen werden, sind längst auch bei der Feuerwehr als Problem erkannt worden, bestätigt Harald Vieten, Pressesprecher des Rhein-Kreises. In dieser Eigenschaft ist er oft als Redner vor Einsatzkräften zu Gast — und hat nur ein Credo: Persönlichkeitsrechte sind zu wahren. "Ich sage immer: Eure Aufgabe ist es, zu retten, und nicht Filme zu drehen, sagt er — auch wenn die angeblich "nur" zu Ausbildungszwecken sind.

Bei der Feuerwehr ist das schon angekommen. "Handys sind im Einsatz generell verboten", sagt der stellvertretende Kreisbrandmeister Stefan Meuter. "Wir sehen genug Schlimmes, da brauchen wir keine Schreckensbilder zu Ausbildungszwecken", sagt er. Bilder von Patienten wie im Fall der drei Johanniter, die nach Darstellung der Staatsanwaltschaft zum Teil "in menschenunwürdiger Weise präpariert und fotografiert wurden", gehen aber selbst über das hinaus.

"Schwächere, Schutzbefohlene so zu behandeln, ist völlig indiskutabel", sagt Professor Tobias Heintges, Ärztlicher Direktor des Lukaskrankenhauses, das eng mit den Sanitätern zusammenarbeitet. In seinem Haus werden auch viel harmlos wirkendere "Späße" geahndet: "Schon das jemand vom internen Transportdienst Quatsch mit einem Rollstuhl macht, ist streng verboten."

(NGZ)
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