Neuss "Stillen ist ein Dienst am Kind"

Neuss · Roswitha Deffge ist Stillberaterin am Johanna-Etienne-Krankenhaus und Leiterin des dortigen Still-Cafés. Gemeinsam mit weiteren Fachfrauen wird sie im Rahmen einer NGZ-Telefonaktion Fragen rund um das Thema beantworten.

 Stolze Mutter: Alina Temür mit Sohn Gabriel. Im Hintergrund stehen Margarete Albiez, Roswitha Deffge und Sandra Korbmacher (v.l).

Stolze Mutter: Alina Temür mit Sohn Gabriel. Im Hintergrund stehen Margarete Albiez, Roswitha Deffge und Sandra Korbmacher (v.l).

Foto: Andreas Woitschützke

Eine bessere Nahrung für Babys gibt es nicht: Muttermilch macht satt, ist gesund, keimfrei, wohltemperiert und immer verfügbar. Obendrein ist sie billig: "Wer nach den Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation WHO sechs Monate lang vollstillt, anschließend bis zum Ende des ersten Lebensjahres teilstillt und zufüttert, hat 75 Euro pro Monat gespart", sagt Rowitha Deffge. Sie ist Stillberaterin am Johanna-Etienne-Krankenhaus (JEK) und Leiterin des dortigen Still-Cafés. Gemeinsam mit ihrer Kollegin, der Stillberaterin und Hebamme Sandra Korbmacher, sowie Dr. Magarete Albiez, leitende Oberärztin der Geburtshilfe am JEK, wird sie bei einer NGZ-Telefonaktion Fragen zum Thema Stillen beantworten sowie bei Problemen oder Unsicherheiten Tipps geben.

Denn obwohl die Vorteile des Stillens bekannt sind, gibt es zum Teil hitzige Diskussionen ums Stillen in der Öffentlichkeit. So wurde erst kürzlich eine junge Mutter, die in einem Erfurter Einkaufszentrum ihren Sohn stillen wollte, vom Sicherheitsdienst darauf hingewiesen, dass sie den Wickelraum aufsuchen möchte.

Einige Monate zuvor geriet eine stillende Mutter in einem Café am Prenzlauer Berg in Berlin mit dem Besitzer aneinander. Weil sie das Café verlassen musste, hat die 30-Jährige eine Petition an die Bundesfamilienministerin gestellt zum "Schutz für stillende Mütter in der Öffentlichkeit". Knapp 22.000 Unterschriften gibt es bereits. Der Deutsche Hebammenverband hat von seiner Internetseite sogar auf die Initiative stillaufkleber.de verlinkt. Hier können stillfreundliche Orte entsprechende Sticker bestellen. "Ich kann nicht nachvollziehen, dass das Stillen in der Öffentlichkeit immer noch nicht akzeptiert wird", sagt die Hebamme Korbmacher. "Ich freue mich über Frauen, die in der Öffentlichkeit stillen."

Als Stillberaterin trägt sie - ebenso wie Deffge - den Titel IBCLC-Stillberaterin. Die Abkürzung steht für: International Board Certified Lactation Consultant, ein internationales Examen für Still- und Laktationsberaterinnen. Mit ein wenig Übung könne man auch lernen, geschickt und diskret zu stillen, so Deffge. Zudem stellt sie klar: "Brüste sind zum Stillen da." Sie seien in erster Linie Ernährungs- und keine Sexualorgane.

"In Ländern der Dritten Welt ist es vollkommen normal, dass Babys an der Brust ihrer Mutter hängen. Stillen ist ein Dienst am Kind", so Albiez. Zudem sorge es für die emotionale Nähe zwischen Mutter und Baby. Warum sich einige Menschen mit stillenden Müttern in der Öffentlichkeit so schwer tun, könne sie nicht nachvollziehen. Auch die katholische Kirche unterstütze das Stillen in der Öffentlichkeit. "Man muss sich ja nicht zur Schau stellen", so Albiez. Wichtig sei, dass Mütter keinen Stress empfinden. Und der könne entstehen, wenn der Säugling plötzlich Hunger hat, es aber keine Stillgelegenheit gibt.

Trotz der Diskussionen um das Thema Stillen in der Öffentlichkeit freut sich Deffge grundsätzlich über die Renaissance der Stillkultur. Als ihre Kinder 1972 und 1974 zur Welt kamen, gab es noch starre Fütterungszeiten, erinnert sie sich. "Alle vier Stunden wurde gestillt, und wenn das Baby schrie, sollte man es schreien lassen, weil dies die Lungen stärke", so Deffge und gibt zu: "Ich war kein Still-Genie. Vielleicht liegt mir deshalb so viel daran, mein Wissen rund ums Stillen weiterzugeben."

Denn Unsicherheiten gebe es immer wieder bei Müttern: Wird mein Kind satt? Wie vereinbare ich Stillen und Berufstätigkeit? Wie vermeide ich Brustentzündungen? Warum macht mein Baby den Mund nicht auf? Lauter Fragen, auf die die drei Expertinnen Antworten haben bei der NGZ-Telefonaktion.

(BroerB)
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