Serie Chancen Für Flüchtlinge Und Gesellschaft Täglich Deutsch pauken für den Traumberuf

Neuss · Journalist will der junge Syrer Ahmad Karim Dalati (22) werden. Dafür lernt er fleißig die Sprache - und engagiert sich für andere Flüchtlinge.

 Probesitzen am Redaktions-Newsdesk: Karim Dalati informierte sich über die verschiedenen Ausbildungswege zum Journalismus.

Probesitzen am Redaktions-Newsdesk: Karim Dalati informierte sich über die verschiedenen Ausbildungswege zum Journalismus.

Foto: kirschstein

Kaarst Die Sprache, das ist Ahmad Karim Dalati klar, ist am wichtigsten. Auf ihn trifft das in besonderem Maße zu. Denn die deutsche Sprache soll für den 22-jährigen Syrer einmal das Handwerkszeug werden: Der junge Mann will Journalist werden. Bei einem Besuch im Pressehaus an der Moselstraße in Neuss zeigte Frank Kirschstein, stellvertretender Leiter der NGZ-Redaktion, ihm die verschiedenen Möglichkeiten auf, die zu seinem Traumberuf führen. Für welchen Weg er sich schließlich entscheiden wird, ob er einmal Zeitungsredakteur oder doch Fernseh-Reporter werden wird, weiß er noch nicht. Wohl aber, dass er sich auf die Suche nach der Wahrheit machen will, um anderen Menschen davon zu berichten.

Wer sich mit ihm unterhält, traut ihm ohne Weiteres zu, dass er sein Berufsziel erreicht. Was er in den erst neun Monaten seines Aufenthaltes in Deutschland gelernt hat, ist erstaunlich: Ein Akzent ist kaum wahrnehmbar, die Grammatik ausgefeilt, der Satzbau nahezu fehlerlos. "Es fällt mir schwer, mir die Wörter zu merken", sagt der zielstrebige junge Mann selbstkritisch.

Karim hat gute Chancen, die sogenannte Aufenthaltsgestattung zu bekommen. Die würde es ihm erlauben, zumindest für drei Jahre in Deutschland zu bleiben. Und er besitzt Potenzial, davon ist seine Mentorin Ursula Baum von der Flüchtlingshilfe Kaarst überzeugt. Das sieht der Rotary-Club Kaarst-Korschenbroich, zu dem Baum Kontakt aufgenommen hat, ganz ähnlich. Der Serviceclub fördert den jungen Mann, kommt für die Kosten einer Sprachschule in Düsseldorf und das Fahrticket auf. "Der Staat bezahlt Sprachkurse nur bis zu einem bestimmten Level, das für den Berufsalltag ausreichen soll", erklärt Ursula Baum, warum das Engagement sinnvoll ist. "Um sich an der Universität für einen Studiengang einschreiben zu können, ist jedoch ein höherer Sprachnachweis erforderlich." Fünfmal pro Woche fährt Karim derzeit in die Landeshauptstadt, lernt intensiv Deutsch und nimmt außerdem zweimal wöchentlich als Gasthörer an Jura-Vorlesungen an der Uni teil.

Die Kaarst-Korschenbroicher Rotarier waren gern bereit, einen Flüchtling dabei zu unterstützen, sich in Deutschland eine neue Existenz aufzubauen - Voraussetzung: Er muss eine Bleibeperspektive haben. Und Bereitschaft zeigen, sich wiederum für andere einzusetzen. Beides ist hier der Fall. "Karim hat uns von Anfang an geholfen, seit er in Kaarst ist", bestätigt Ursula Baum. So setzt er seine beachtlichen Deutschkenntnisse ein, um zwischen Neuankömmlingen mit arabischer Muttersprache und deutschen Helfern zu dolmetschen. Er unterstützt den Evangelischen Verein in Büttgen, der zahlreiche unbegleitete minderjährige Flüchtlinge betreut. Er ist zur Stelle, wenn die Flüchtlingshilfe Kaarst mal wieder im Hauruck-Verfahren eine komplette Wohnung einrichtet, baut Betten oder Schränke auf. Und er ist da, hört den Flüchtlingen zu, erklärt, was ihnen an Deutschland unverständlich ist, was hierzulande anders läuft als in der Heimat.

Journalismus - das war schon in Syrien sein Studienwunsch. In Aleppo, seiner zerstörten Heimatstadt, hatte er dazu keine Chance. Darum schrieb er sich an der Uni für Jura ein, studierte fünf Semester lang. Doch: Ohne Militärdienst kein Abschlusszeugnis, wie Karim Dalati erklärt. Und Soldat werden, sich zum Kriegsdienst zwingen lassen, das wollte er auf keinen Fall. "Ich wollte niemanden töten", sagt er.

In Kaarst hat Karim Dalati gerade eine eigene kleine Wohnung bezogen. Er fühlt sich wohl hier, hat viele Freunde gefunden, lernt mit Begeisterung Gitarrespielen. Was macht Deutschland für ihn aus? Er muss nicht lange nachdenken: "Hier darf ich frei leben und frei reden und alles tun, solange ich niemand anderem damit wehtue."

(NGZ)
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