Neuss Tischlerei zeigt, wie Inklusion funktioniert

Neuss · In der Tischlerei "Stilfabrik*" von Piet Hülsmann arbeiten zwei Menschen mit Behinderung. Die Neusser Firma hat jetzt in Berlin den Inklusionspreis der Wirtschaft in der Kategorie "Nicht beschäftigungspflichtiges Unternehmen" erhalten.

 Chef Piet Hülsmann (r.) begutachtet die Arbeit von Langzeitpraktikant Pierre.

Chef Piet Hülsmann (r.) begutachtet die Arbeit von Langzeitpraktikant Pierre.

Foto: L. Berns

Zwei Menschen mit Behinderung arbeiten in der Tischlerei "Stilfabrik*" von Piet Hülsmann. Das Unternehmen muss aber gar nicht die gesetzlich vorgegebene Quote erreichen, denn weniger als 20 Mitarbeiter sind dort eingestellt. "Das ist ein außergewöhnlicher Fall", sagt Volker Boeckenbrink, der Fachberater für Inklusion der Handwerkskammer Düsseldorf. "Für mich war das preisverdächtig." Und genau deswegen schlug Boeckenbrink Hülsmanns Tischlerei für den Inklusionspreis der Wirtschaft vor, der unter der Schirmherrschaft des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales steht.

Aus 150 nominierten Unternehmen aus Industrie und Handwerk konnte die Jury auswählen. Vier Kategorien galt es, zu besetzen. Die "Stilfabrik*" gewann in der Kategorie "Nicht beschäftigungspflichtiges Unternehmen". Jetzt erhielt das achtköpfige Team die Auszeichnung in Berlin.

Seit zwei Jahren ist die "Stilfabrik*" schon ein Inklusionsbetrieb. Seitdem arbeitet ein Geselle mit Asperger-Syndrom, der namentlich nicht genannt werden möchte, in der Tischlerei. Vor eineinhalb Jahren kam dann noch Pierre zum Team dazu. Er ist schwer mehrfachbehindert, kann nicht richtig gehen. Der Schüler absolviert in dem Unternehmen ein Langzeitpraktikum.

Vor der Einstellung des Gesellen war Hülsmann lange auf der Suche nach neuen Mitarbeitern. "Für eine Möbelserie brauchte ich Verstärkung", sagt der 42-Jährige. "Bei meiner Suche habe ich gemerkt, dass der Fachkräftemangel auch im Handwerk angekommen ist." So habe er dann sein Spektrum erweitert. "In meiner Zivildienstzeit habe ich in einer Behindertenwerkstatt gearbeitet. Ich kenne mich also mit der Thematik aus", sagt Hülsmann. Die Suche nach Personal mit Behinderung sei aber nicht einfach gewesen - und so wendete er sich an Volker Boeckenbrink. Der Integrationsbeauftragte der Handwerkskammer suchte für Hülsmann und wurde fündig: Der Geselle mit Asperger-Syndrom hatte gerade seine Ausbildung in einer anderen Tischlerei abgeschlossen. Da diese schließen musste, war er auf Jobsuche.

Zunächst machte der 21-jährige Geselle ein Praktikum bei Hülsmann. "In der Zeit hat er uns voll überzeugt", berichtet Hülsmann. "Er ist ein Glücksgriff." Boeckenbrink unterstützte Hülsmann dabei, einen Antrag für einen Zuschuss zu einem Bandschleifautomaten zu stellen. Diese Maschine wird von dem 21-Jährigen bedient. Die Umorganisation von Arbeitsschritten ermöglichte ihm das Arbeiten in der Tischlerei. Auf diese Weise schaffte es Hülsmann auch, dass Pierre dort Aufgaben hat. "Das ist der Vorteil einer Serienproduktion. Die einzelnen Schritte kann man sehr gut planen und separieren. Ich schaue, was Pierre gut händeln kann, und setze ihn dann dort ein", erklärt Hülsmann. Diese Umorganisation war für die Jury auch ein Grund, Hülsmanns Unternehmen auszuzeichnen. Zu Pierres Aufgaben zählt zum Beispiel das Packen von Schraubentüten. Am meisten gefällt ihm das Holzschleifen. "Ich hätte nie gedacht, dass hinter einem Produkt so viel Arbeit steckt", sagt der 19-Jährige. Zu Beginn seines Praktikums brauchte Pierre noch viele Sitzpausen. Mittlerweile ist er so trainiert, dass er den ganzen Tag stehen kann. Nach dem Schulabschluss im Sommer hat er gute Aussichten auf eine Festanstellung in den Gemeinnützigen Werkstätten Neuss. Dann darf er auch bei Piet Hülsmann weiterarbeiten.

In Neuss zählt Hülsmanns Handwerksbetrieb laut Boeckenbrink zu den wenigen, die Mitarbeiter mit Behinderung eingestellt haben. "Die kann ich an einer Hand abzählen", erklärt er. Er wünscht sich, dass noch mehr Unternehmen dem Thema offen gegenüberstehen. "Es geht darum, zu zeigen, was ein Mensch mit Behinderung kann, nicht, was er nicht kann."

(eler)
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