Neuss "Vermisste Verbindungen" im Zeughaus

Neuss · Die Deutsche Kammerakademie Neuss am Rhein präsentierte ein spannungsreiches Programm.

Beim vierten Abonnementkonzert der Deutschen Kammerakademie Neuss am Rhein (DKN) im Zeughaus stand auf Einladung von Chefdirigent Lavard Skou Larsen erstmals Christoph Schlüren (55) am Pult, der neben seiner bei Sergiu Celebidache erlernten Dirigierkunst auch als Musikautor und Forscher tätig ist.

Er engagiert sich besonders für vergessene Werke und Komponisten. So umrahmten in einem spannungsreichen Programm unter dem Motto "Vermisste Verbindungen" kaum bekannte Komponisten Beethovens 3. Klavierkonzert. Zu Schlürens Fundstücken gehörten die das Konzert eröffnenden "Three Aquarelles" des englischen Komponisten John Foulds, der von 1880 bis 1939 lebte. Obwohl oft als "innovativster Musiker seiner Generation" gefeiert, ist er selbst ausgewiesenen Kennern kein Begriff. Sein bedeutendstes Werk "A World Requiem" von 1921 erlebte erst 2014 seine deutsche Erstaufführung.

Die "Aquarelle" für Streichquartett bestachen vor allem in der chorischen Aufführung durch die Deutschen Kammerakademie Neuss als vollendete Streichermusik von überwältigendem sinnlichen Reiz. Mit dem 2013 gestorbenen schwedischen Komponisten Anders Eliasson war Christoph Schlüren eng befreundet. Sein Klavierstück "Carosello" von 2005 hat er zusammen mit dem rumänischen Komponisten Lucian Beschiu für die Deutsche Kammerakademie Neuss in eine Fassung für Streicher gebracht, die im Zeughaus ihre Uraufführung erlebte.

Die höchst subtile Raffinesse, mit der das Karussell erlebt wird, bekam in dieser Fassung weitaus leuchtendere Klangfelder und -farben. Paul Büttner, seit 1924 Direktor des Dresdner Konservatoriums, war im Jahr 1933 von den Nazis aller seiner Ämter enthoben worden. Als Komponist ist er der letzte große Sinfoniker in der Nachfolge von Anton Bruckner und Johannes Brahms. Sein einziges "Streichquartett g-Moll" gewinnt in der chorischen Variante als Streicher-Symphonie für Kammerorchester in der Interpretation der DKN ganz ungemein. Im Zentrum des Konzertes stand jedoch das "Klavierkonzert Nr. 3 c-Moll" (op. 37) von Ludwig van Beethoven in der von Vinzenz Lachner eingerichteten Fassung mit Streichern.

Die New Yorker Pianistin Beth Levin gab mit der DKN ihr Deutschland-Debüt als Solistin mit Orchester. Ihr ungestümes Temperament führte im ersten Satz zu kleinen Irritationen im Dialog mit dem Orchester, ihre technische Meisterschaft überzeugte aber in der grandiosen Originalkadenz zum Ende des Satzes. Nach abgeklärt ruhigem "Largo" war die Pianistin beim stürmischen Rondo-Finale vollkommen in ihrem Element.

(Nima)
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