Neuss Vorleser entführen in die Welt von Autor Arnon Grünberg

Neuss · In behaglicher Atmosphäre sich etwas vorlesen lassen, das kann ganz schön gemütlich sein - wenn nur die Lektüre nicht teilweise so bedrückend gewesen wäre: Anita Wermeister (65), Heinrich Schülter (71) und Manfred Hemmersbach (78), drei Norfer Bürger, nehmen gerne ein gutes Buch zur Hand - und sie lesen auch gerne vor.

 Manfred Hemmersbach, Anita Wermeister und Heinrich Schlüter (v.l.) lasen aus Arnon Grünbergs Buch "Der Mann, der nie krank war" vor.

Manfred Hemmersbach, Anita Wermeister und Heinrich Schlüter (v.l.) lasen aus Arnon Grünbergs Buch "Der Mann, der nie krank war" vor.

Foto: Reichartz

Im Rahmen der Reihe "Neuss liest" stellten sie im Café Cremeria auf der Rilkestraße Auszüge aus Arnon Grünbergs Buch "Der Mann, der nie krank war" vor.

Ein Dutzend Besucher wollte sich die szenische Lesung nicht entgehen lassen. Manfred Hemmersbach gab zu verstehen, dass auch belesene Bekannte den Namen des Autors Arnon Grünberg noch nicht kannten. Das literarische Trio las aus dem ersten Drittel des Buches, das von Kritikern hervorragend beurteilt wurde. Das Publikum tauchte ein in eine fremde Welt: Im Mittelpunkt steht Samarenda, Sohn eines indischen Vaters und einer Schweizer Mutter. Warum der Autor, der 2002 mit dem NRW-Literaturpreis ausgezeichnet wurde, den Titel "Der Mann, der nie krank war" gewählt hat, wird gleich zu Beginn deutlich: Er steht damit im krassen Gegensatz zu seiner behinderten Schwester Aida, die ständiger Zuwendung bedarf.

Samarendra ist ein ehrgeiziger junger Architekt, der sich an einem Wettbewerb beteiligt hat: Er möchte ein Opernhaus in Bagdad bauen, hat sich an einem entsprechenden Wettbewerb beteiligt. Die drei Vorleser streifen kurz das Verhältnis zu seiner Freundin, dem es seinerseits offenbar an Leidenschaft mangelt. Doch bald schon meinen sie, mitten im Bagdad nach dem Sturz von Saddam Hussein zu sein, einer Stadt, deren Architektur an eine Festung erinnert. Grünberg schreibt unaufgeregt; das, was er zu sagen hat, ist aufregend genug - zum Teil auch schockierend.

Die Zuhörer merken bald, dass die Bagdad-Mission des jungen, strebsamen Architekten total aus dem Ruder läuft. Er gerät in eine kafkaeske Situation, wird verhört, erniedrigt und weiß nicht, warum. Die Soldaten, die ihn, den neutralen Schweizer, verhören, urinieren ihm ins Gesicht, weil so die US-amerikanischen Soldaten angeblich mit den Irakern umgegangen sind.

Dass sein Kontaktmann in Bagdad tot ist und er von den Militärs posthum als "Hund" beschimpft wird, macht die Sache für Samarendra nicht leichter. Die drei Vorleser sollten es schaffen, auf ein interessantes Buch aufmerksam zu machen. Dieselbe Vorlesung findet übrigens noch einmal statt, nämlich am 3. Oktober um 15 Uhr im Wasserturm des Heimatvereins Norf.

Weitere Termin der Reihe "Neuss liest": Heute, 15 Uhr, Kaffeepausen-Lesung mit Stadtarchivar Jens Metzdorf im Stadtarchiv Neuss, Oberstraße 15 ("Der Mann der nie krank war"); Dienstag, 29. September, 15 Uhr, Kaffeepausenlesung mit Helga Peppekus in der neuen Geschäftsstelle der Heimatfreunde, Michaelstraße 67 ("Der Mann ..."); ebenfalls am Dienstag, 19 Uhr, Lesung mit Dorothea Gravemann ("Der jüdische Messias") im Bücherhaus am Münster, Krämerstraße 8.

(NGZ)
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