Landtagswahl NRW Das sind die Neusser Direktkandidaten

Neuss · Die Meinungsforscher sind sich sicher: Sechs Parteien besitzen eine reelle Chance, am 14. Mai in den Landtag einzuziehen. Die NGZ stellt heute die sechs Direktbewerber der sechs chancenreichsten Parteien im Wahlkreis 44 (Stadt Neuss) vor.

 Arno Jansen, SPD

Arno Jansen, SPD

Foto: Woitschützke Andreas

SPD, CDU, Grüne, Linke, FDP und AfD dürfen sich berechtigte Hoffnungen machen, ab Mitte Mai im Düsseldorfer NRW-Landtag zu sitzen. 2012 holte die SPD erstmals seit 1990 wieder ein Direktmandat. Dieses Jahr geht Arno Jansen für die Sozialdemokraten als Spitzenkandidat ins Rennen. Seine Konkurrenz ist groß. Wir stellen alle sechs Direktkandidaten vor.

Mehr als ein Vierteljahrhundert gehört er der SPD an. In dieser Zeitspanne hat er schon viele Wahlschlachten geschlagen. Doch dieses Mal ist alles anders. Erstmals führt Arno Jansen (43) seine Partei als "Spitzenkandidat" in den Wahlkampf. Er spürt den Unterschied. "Jetzt bin ich die letzte Instanz", sagt er.

 Jörg Geerlings, CDU

Jörg Geerlings, CDU

Foto: Woitschützke Andreas

Wenn ein hartnäckiger Besucher am Infostand debattiere, dann müsse letztlich "der Chef" ran. Der Jurist Jansen empfindet Auseinandersetzung als Lebenselixier. Gefällige Rhetorik und bodenständiger Witz machen ihn zum guten Wahlkämpfer - und er verfügt nach eigener Einschätzung über eine Stärke: "Ich sage direkt und offen meine Meinung." Wer verspreche, was er später nicht halten könne, dem falle seine eigene Ankündigung irgendwann vor die Füße. Mit dieser Haltung ernte er nicht immer Beifall, schon gar nicht im Wahlkampf. Aber das nimmt er in Kauf: "Die Menschen sollen wissen, mit wem sie es zu tun haben."

Arno Jansen wurde am 7. Februar 1974 geboren. Er ist verheiratet und lebt mit seiner Frau Andrea in Weckhoven, wo er auch aufgewachsen ist. Nach Grund- und Realschule absolvierte er eine Ausbildung zum Industrieelektroniker in Kaarst. Auf dem zweiten Bildungsweg machte er das Abitur und studierte anschließend Jura. Seit 2008 arbeitet er als Rechtsassessor und Referent für die Sozialdemokratische Gemeinschaft für Kommunalpolitik (SKG), ein Kommunaler Fachverband.

Vom heutigen Neusser Bürgermeister Reiner Breuer, der 2012 erstmals nach 1990 (Friedhelm Farthmann) wieder in Neuss das Landtagsdirektmandat für die SPD gewann, übernahm Jansen den Wahlkreis. Breuer beendete seine Tätigkeit im Landtag, als er 2015 zum Bürgermeister gewählt wurde. 1991 trat Arno Jansen in die SPD ein, war Chef der Neusser Jusos und des SPD-Ortsvereins Neuss-Südwest.

In den Stadtrat rückte er 1999 ein, in der Nachfolge von Reiner Breuer übernahm er nach der Kommunalwahl 2014 auch den Vorsitz der SPD-Ratsfraktion. Zudem ist Jansen Vize-Vorsitzender der Kreis-SPD. Ehrenamtlich engagiert sich Arno Jansen beim Deutschen Roten Kreuz (zehn Jahre Rettungssanitäter), bei der Awo und als Schütze bei den Scheibenschützen Weckhoven ("Hötches Jonge") und im Neusser Jägerzug "Diana 1954". Mit seiner Frau teilt er die Freude am Tauchsport.

Obwohl 44 Jahre jung, gehört Jörg Geerlings doch schon zu den "alten Hasen" im Politikgeschäft. Seit 2005 steht er an der Spitze der Neusser CDU, die er seither als Vorsitzender prägt und für die er viele neue Mitglieder gewonnen hat. Die Neusser CDU ist in der Ära Geerlings jünger und weiblicher geworden.

Seit mehr als zwölf Jahren ist der promovierte Jurist der Anführer der Neusser Christdemokraten. Dabei war er nicht immer unumstritten, aber letztlich siegte er in allen parteiinternen Auseinandersetzungen Insbesondere nach dem Verlust des Landtagsmandats 2012 und der schmerzhaften Niederlage des CDU-Kandidaten Thomas Nickel bei der Bürgermeister-Wahl 2015 zeigte Geerlings seine Nehmer- und Steherqualitäten. Er duckte er sich nicht weg, sondern nahm den Kampf an und gewann: Er wurde 2016 als Vorsitzender der Neusser CDU in einer Kampfabstimmung gegen Michael Werhahn im Amt bestätigt und er setzte sich wenig später intern souverän als CDU-Landtagskandidat durch.

 Uwe Welsink, Bündnis 90/Grüne

Uwe Welsink, Bündnis 90/Grüne

Foto: Uwe Welsink

Seither steht Jörg Geerlings wieder unangefochten an der Spitze der Neusser CDU. "Das musste ich mir damals hart erarbeiten", sagt er rückblickend. Geerlings kann kämpfen. Darum wundert es nicht, wenn sich Geerlings als "durchsetzungsstark" sieht und sich als einen Mann beschreibt, "der gut analysieren" kann. Zu seinen Stärken zählt er auch, dass er ihm gelinge, Menschen mitzunehmen, mit ihnen im Team gemeinsam Inhalte zu erarbeiten und sie dann auch tatsächlich umzusetzen.

Jörg Geerlings wurde in Neuss geboren, sein Elternhaus steht in Reuschenberg. Nach dem Abitur am "Humboldt" schloss er eine auf zwei Jahre verkürzte Ausbildung zum Bankkaufmann bei der "Dresdner" ab, ehe er Jura in Köln studierte, wo er auch promovierte. Heute arbeitet der Rechtsanwalt für das Wirtschaftsprüfungsunternehmen PricewaterhouseCoopers (PwC). Zur Politik fand Geerlings kurz vor der Jahrtausendwende, trat 1998 in die CDU ein, war JU-Wahlkampfleiter 1999 und wurde im selben Jahr auch Vorsitzender der Jungen Union (JU).

2004 zog er erstmals in den Stadtrat ein, übernahm ein Jahr später den Vorsitz im Stadtverband als Nachfolger von Cornel Hüsch. 2010 gewann Geerlings das Landtagsmandat in Neuss, das er bei der vorgezogenen Landtagswahl 2012 wieder verlor. Jetzt kandidiert er zum dritten Mal für das Landesparlament. Seit Juli 2014 ist er dritter stellvertretender Bürgermeister der Stadt Neuss. Er engagiert sich vielfach ehrenamtlich für die Gesellschaft, marschiert zum Schützenfest im Schützenlustzug "Nüsser Nachtschwärmer" mit. Jörg Geerlings und seine Frau Florence freuen sich auf die Geburt ihres ersten Kindes. Es soll Mitte Mai kommen.

Erst im Jahr 2010 ist Uwe Welsink den Grünen beigetreten - ein Unterstützer war er dort aber schon seit Jahrzehnten. Der 57-jährige Landtagskandidat, Handballfan und Krankenpfleger lief in den 1970er Jahren bei Friedensdemonstrationen mit, lernte das Diskutieren am elterlichen Mittagstisch und sieht kein Problem darin, dass sein Bruder bei der CDU ist.

"Beim Essen ging es früher immer um das Weltgeschehen, tagespolitische Dinge", erzählt Welsink aus seiner Kindheit. Auch, wenn er sich nicht genau an den Inhalt der Diskussionen erinnert, ist er sich sicher, dass sie ihn geprägt haben: "Ich habe gelernt, politisch zu denken, mich für das zu interessieren, was um mich herum passiert." Und auch der Respekt der Meinung anderer gegenüber, den er wichtig findet, sei damals angelegt worden. 13 Jahre arbeitete Welsink in der Altenpsychiatrie, heute ist er am St.-Alexius-/St.-Josef-Krankenhaus im Suchtbereich tätig, auch in Nachtschicht. Dort habe er ebenfalls dazugelernt: "Viele Menschen werden in der zunehmend leistungsorientierten Gesellschaft abgehängt." Sich detailliert mit den Gründen dafür zu beschäftigen, mache Welsink Spaß.

Anders als sein Bruder, der eher die vorbeugende Eigenverantwortlichkeit der Menschen stärken wolle, gehe es Welsink vor allem darum, Angebote zu schaffen für Menschen, die nach Alternativen suchen. Dies gelte nicht nur im Energiebereich - Welsink sei immer gegen Atomkraft gewesen -, sondern auch in der Altenpflege. "Durch den demografischen Wandel müssen wir stzärkeren Anreiz schaffen, einen Pflegeberuf zu ergreifen", sagt Welsink.

 Kirsten Eickler - Die Linke

Kirsten Eickler - Die Linke

Foto: lothar BErns

Bereits beim Blick auf ihre Internetseite wird deutlich - die digitale Welt ist ihr Steckenpferd: Auf einem Foto flimmern binäre Codes - sogenannte Computersprache - über ihr Gesicht. Die Message ist klar: Zukunft geht nur digital. Und in dieser Zukunft sieht sich Kirsten Eickler von der Partei "Die Linke" am liebsten im Landtag.

Das Thema Digitalisierung bewegte die ausgebildete Informationselektronikerin, die heute als freiberufliche Systemtechnikerin und Datenmanagerin arbeitet, 2011 der Piratenpartei beizutreten. Ihren Wechsel zu den Linken - 2015 trat sie der Partei bei, mittlerweile ist sie Vorsitzende der Kreistagsfraktion - hatte thematische Gründe: "Ich wollte den sozialen Aspekt einfach mehr in die Mitte rücken", sagt die 48-Jährige. Gerade in der heutigen Zeit habe man starke Probleme, wenn man finanziell schwach aufgestellt sei.

Diese Erfahrung machte Eickler als Kind sogar selber: Zum Ende ihrer Schulzeit erlebte sie die Auswirkungen des Strukturwandels in der Stahlindustrie. "Als Kind eines Arbeiters der Edelstahlwerke Böhler weiß ich, was es bedeutet, wenn die Existenzgrundlage innerhalb kurzer Zeit wegbricht und neue Arbeitsplätze nicht vorhanden sind", sagt Eickler, die ihre Kindheit in Warstein und später in Meerbusch verbrachte.

Weitere Themen, die sie beschäftigen, sind Wirtschaft und die Auswirkungen der Automatisierung. "Die Automatisierung kann man nicht mehr verhindern", sagt sie. Die IT-Branche beschäftigt Eickler sogar privat. Schließlich ist sie leidenschaftliche Computerspielerin - zu Atari-Zeiten schrieb sie ihre Spiele sogar noch selber.

Wahl 2017 in NRW: Die Spitzenkandidaten in Neuss
Foto: A. Buchbauer

Der Name überrascht. Wenn es um den liberalen Politiker geht, der ihn am meisten beeindruckt hat, dann nennt Michael Fielenbach (57) nicht Hans-Dietrich Genscher oder Guido Westerwelle, sondern Andreas Pinkwart. Die Stringenz und Klarheit in seinem Handeln habe ihn beeindruckt. "Wenn man eine Entscheidung trifft, dann sollte man zu ihr stehen und sie durchziehen", sagt Fielenbach. Von politischer Rumeierei halte er nichts.

2009 trat er der FDP in Bonn bei, wo er bis 2010 lebte. Seit seinem Umzug ist die Neusser FDP sein politisches Zuhause, seit 2014 ist er Stadtverbandsvorsitzender. Jetzt will der vierfache Vater, der als Vermessungsdirektor beim Rhein-Kreis Neuss unter anderem für das Geodatenmanagement zuständig ist, in den Landtag. Er hat klare Vorstellungen, was sich in NRW ändern muss. Stichwort: Schulpolitik. "Wir müssen in Bildung investieren und brauchen mehr Lehrer.

" Mit dem "katastrophalen Stundenausfall" müsse endlich Schluss sein. Bei der Schulzeit bezeichnet er sich als "klaren Verfechter von G9". Stichwort: Wirtschaft. NRW brauche eine Entfesselungspolitik von rot-grünen Zwängen. Dazu gehöre ein ganz anderes Flächenmanagement, um Platz für Gewerbe und Wohnraum zu schaffen. Fielenbach gehört zudem nicht zu jenen, die die Braunkohle verteufeln - und betont deren Bedeutung für den Rhein-Kreis als Aluminiumstandort.

"Was die Kraftwerke und deren CO2-Ausstoß anbelangt, sollten unsere Standards europaweit umgesetzt werden." Stichwort: Innere Sicherheit. Fielenbach spricht sich für mehr Polizei aus und fordert eine konsequentere Anwendung der Gesetze.

Wer auf der Homepage der AfD im Rhein-Kreis über die Kandidatur von Michael Schilder zur Landtagswahl im Wahlkreis 44 liest, der erfährt in diesem Zusammenhang, dass sich Schilder bei der parteiinternen Aufstellungsversammlung am 9. März im ersten Durchgang durchgesetzt hat. Da bat die AfD ihre Mitglieder bereits zum zweiten Mal um ihr Votum, um ihren Kandidaten zur Landtagswahl aufstellen zu können. Der Grund: Günter Weinert, Vorsitzender der Neusser AfD-Ratsraktion, hatte zuvor seine Kandidatur nach bereits erfolgter Aufstellung aus "persönlichen Gründen" niedergelegt.

Wahl 2017 in NRW: Die Spitzenkandidaten in Neuss
Foto: MS

Nun tritt also Michael Schilder an. Fragen, so bittet er die Journalisten, sollen schriftlich via E-Mail gestellt werden. Das tat die Redaktion. Auf Anfrage der NGZ zu seiner Person, zu seinen Hobbys, zu einer eventuellen früheren Parteimitgliedschaft und zu seiner Überzeugung, der AfD beizutreten, mailt Michael Schilder: "60 Jahre, Rechtsanwalt. Geschichte, Philosophie, Reisen. CDU-Mitglied bis zur Islamrede von Wulff.

Die AfD kritisiert als einzige Partei die mit der Umvolkung einhergehende Islamisierung und Barbarisierung sowie den Verstoß gegen das Verbot des Bailout. Diese Ziele sollten Grund genug für das Engagement sein." Mit dem Begriff Umvolkung, den Michael Schilder verwendet, war im Nationalsozialismus die sogenannte Germanisierung deutschfreundlicher Bevölkerungsgruppen in eroberten Gebieten Osteuropas gemeint.

Den Begriff benutzen heute Rechtsextremisten, um die Migrationspolitik zu kritisieren. Mit Bailout ist die Übernahme von Schulden eines Eurolandes durch die anderen Mitglieder gemeint.

(NGZ)
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