Neuss "Wahlkampf seltsam inhaltsleer"

Neuss · Fritz Behrens hat nach 35 Jahren seine politische Laufbahn beendet. Den Landtagswahlkampf verfolgt er nur noch als Beobachter. Große Streitthemen entdeckt er dabei nicht mehr, erklärte er gestern auf dem blauen NGZ-Sofa.

Fritz Behrens auf dem blauen NGZ-Sofa
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Der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen misst Fritz Behrens, Innenminister a.D. und langjähriger SPD-Landtagsabgeordneter für Neuss, große Bedeutung zu. Bleibt es bei drei Parteien im Parlament, wovon er noch im März beim Beschluss zur Auflösung des Landtages und zu vorgezogenen Wahlen überzeugt war, werde das Signalwirkung für andere Länder und den Bund haben. Doch 25 Tage vor dem Urnengang ist Behrens davon weniger überzeugt. "Ich fürchte", so sagte er gestern Abend beim Talk auf dem blauen NGZ-Sofa, "dass wir auf dem Weg zu einer Zersplitterung der Parlamente sind." Mit allen Konsequenzen.

Behrens selbst hat 35 Jahre an unterschiedlichen Stellen und in unterschiedlichen Aufgaben Politik mitgestaltet. Gerne, wie er im Gespräch mit NGZ-Redaktionsleiter Ludger Baten betonte, aber immer in dem Bewusstsein, dass jedes Amt nur eines auf Zeit ist. Mag die Entscheidung zu vorgezogenen Neuwahlen auch politische Karrieren beendet haben — zumindest Behrens nimmt das zuletzt selbst bestimmte Ende dieser Laufbahn gelassen: "Ich habe mir immer die Frage gestellt: Was dann? Und immer wusste ich Antwort."

Den Wahlkampf, der mit Ende der Osterferien entbrannt ist, erlebt Behrens seltsam inhaltsleer. Alle Streitfälle seien weg, findet er, beigelegt durch "historische Kompromisse", wie etwa das Thema Schulstruktur, aufgegangen in einem breiten Konsens — wie die Themen der Inneren Sicherheit — ,oder "vom politischen Gegner abgeräumt". Das beitragsfreie dritte Kindergartenjahr oder die Abschaffung der Studiengebühren — der CDU sei das wohl keine Wahlkampfdebatte mehr wert. "Röttgen auf Schmusekurs", lästert Behrens in Richtung des CDU-Spitzenkandidaten.

Ihn selbst scheinen andere Themen fast mehr zu beschäftigen. Die Salafisten etwa, die mit der Ankündigung Aufsehen erregten, 25 Millionen Exemplare des Koran verteilen zu wollen, sieht auch der Ex-Innenminister sehr kritisch. Aber Behrens, der stets die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit im Auge hatte, bleibt sich treu, als er betont: Kein Einschreiten des Staates nur auf Verdacht.

Mit dem Ausgang der Wahlen in 25 Tagen hat Behrens nichts zu tun. Aber er war zu lange dabei, als dass ihn das kalt ließe. Wünschen würde er sich klare politische Mehrheiten, am besten in einem Drei-Parteien-Parlament. Doch er rechnet mit dem Einzug der Piratenpartei, vielleicht auch der FDP, kaum aber mit den Linken. Diese Vielfalt erhöhe die Wahrscheinlichkeit einer Großen Koalition — was weitere kleinere Parteien und auf Sicht eine Wahlrechtsdebatte zur Folge hätte.

(NGZ/jco)
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